Bad Aibling – Ein Teil der Junge-Doks-Reihe des Dokumentarfilm-Festivals Nonfiktionale war einmal mehr der Filmkritik-Workshop im Vorfeld des Festivals. Das, was einen einzelnen Film ausmacht, in eigene Worten zu fassen und einem analytischen Blick zu unterwerfen, dieser Aufgabe haben sich Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse am Gymnasium Bad Aibling gestellt.
In einer Doppelstunde ging es zunächst darum, Blick und Gehör zu schärfen, um sich schließlich an Fragen der Erzählperspektive, der Bildsprache oder des Mottobezugs zu wagen. Die Ergebnisse – Rezensionen zu den Filmen des aktuellen Nonfiktionale-Programms – können im Festivalzentrum und, parallel zum Festival, täglich im Aiblinger Mangfall-Boten nachgelesen werden.
So läuft am heutigen Donnerstag um 19 Uhr im Aibvision-Filmtheater der Film „ANIMA – Die Kleider meines Vaters“ von Uli Decker: In „ANIMA – Die Kleider meines Vaters“ erfährt die Erzählerin nur wenige Augenblicke vor dem Tod ihres Vaters durch ihre Mutter von seinem Geheimnis: Er trug heimlich Frauenkleider – ein Teil von ihm, den er stets verborgen hielt. Doch während diese Wahrheit für die Tochter neu ist, begleitet sie selbst seit ihrer Kindheit das Gefühl, irgendwie anders zu sein. Die Offenbarung über ihren Vater wirft ein neues Licht auf ihre eigenen Empfindungen und verbindet sie mit ihm auf eine unerwartete Weise.
Regisseurin und Erzählerin zugleich, wechselt sie zwischen verschiedenen Stilmitteln: Animierte Sequenzen visualisieren ihre Gedanken, Familienfotos geben Einblick in vergangene Zeiten, und Interviews mit ihrer Mutter, Schwester und Freunden ihres Vaters zeichnen eine facettenreiche Vorstellung der scheinbaren ,Bilderbuchfamilie‘. Diese Mischung verleiht dem Film eine poetische, aber auch intime Atmosphäre.
Besonders berührend ist die letzte Szene: Die Erzählerin läuft über eine Wiese, während sie über die Worte ihres Vaters nachdenkt: „Mir geht es nicht darum, eindeutig weiblich zu sein, sondern im Transzendieren der männlichen Rolle meiner Seele Freiheit zu verschaffen.“ Dieser Moment lässt den Film nachhallen, als Einladung zur Reflexion über Identität und das Streben nach innerer Freiheit.
Auch die Ungewissheit über die Identität der Erzählerin macht den Film durch das verborgenbleibende Geheimnisvolle interessanter. „Anima – Die Kleider meines Vaters“ ist eine sensible, visuell eindrucksvolle Reflexion über Geschlecht, Familie und das Recht, man selbst zu sein: bewegend, ehrlich und zutiefst menschlich.
Julia Garnreiter