Europäische Alpenstrategie

„Hier spricht die pure Angst“ – vor dem Wolf

von Redaktion

von Dominik Göttler

München – Vor der Tür wartet der Wolf. Nein, es ist kein echter, der vor der Münchner BMW Welt die Zähne fletscht. Es ist nur ein Mitglied des Bauernverbands im Faschingskostüm, das hier das Schreckgespenst der Weidehalter und Almbauern mimt. Rund 100 Menschen aus der Landwirtschaft sind gestern nach München gekommen, um ihren Unmut über den Umgang der Politik mit dem großen Beutegreifer mitzuteilen – und Europaministerin Beate Merk ins Gewissen zu reden.

Merk ist die Gastgeberin für die Jahrestagung der EU-Strategie für den Alpenraum (kurz EUSALP), die gestern und heute in der Münchner BMW Welt stattfindet. Der Freistaat Bayern hat in diesem Jahr den Vorsitz bei dem Zukunftsprogramm der Alpen-Anrainerstaaten. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden Aktionen vorbereitet, die gestern auf der Fachtagung vorgestellt wurden. Bei den verschiedenen Projekten geht es etwa darum, die Forschung im Alpenbereich zu klimabedingten Naturgefahren zu intensivieren, die Zusammenarbeit in Wirtschaftszweigen wie Holzindustrie oder Tourismus zu verbessern oder ein grenzübergreifendes Reiseinformationssystem zu entwickeln.

Den Almbauern, die für ihren Protest bis aus Südtirol angereist waren, geht es aber vor allem um ein bestimmtes Projekt. So haben die Umweltminister der Alpenstaaten Anfang Oktober eine politische Erklärung verabschiedet, in der es um das Errichten einer „Alpinen Grünen Infrastruktur“ geht. Künftig sollen „grüne Lebenskorridore“ Schutzgebiete und Biotope verbinden. Die Almbauern wittern, dass dem Wolf der grüne Teppich ausgelegt werden soll.

„Die für die Alpen so typische Weidetierhaltung ist gefährdet“, sagte Bauernpräsident Walter Heidl bei der Mahnwache. „Wenn das so weitergeht, haben wir in den Alpen bald nur noch Wolfsreviere statt Weidetiere.“ Auf der Tagesordnung des EUSALP-Jahresforums würden diese Probleme aber nicht thematisiert, kritisierte Heidl.

Das Bundesamt für Naturschutz geht derzeit von 60 Wolfsrudeln und insgesamt etwa 160 erwachsenen Wölfen in Deutschland aus. Der Vorsitzende des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern, Georg Mair, hingegen rechnet wie Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) bereits mit über 600 Wölfen in Deutschland. Er betonte: „Hier spricht die pure Angst um die Weidehaltung.“ Durch Herdenschutzhunde und die Einzäunung würden immense Kosten auf die Weidetierhalter zukommen. Laut Schätzungen der Landesanstalt für Landwirtschaft könnte es bis zu 400 Millionen Euro kosten, wenn wirklich alle Weideflächen in Bayern eingezäunt würden, dazu kämen jährliche Instandhaltungskosten im zweistelligen Millionenbereich. Mair forderte: „Es muss eine Abwägung getroffen werden. Und dabei darf nicht nur ein einseitiger Wolfsschutz gelten.“

Ministerin Merk sagte, sie werde sich bemühen, dass die Belange der Viehhalter in die EUSALP eingebracht werden. Heidl antwortete: „Wenn im Zeugnis steht, der Schüler hat sich bemüht, ist das meist zu wenig.“

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