Fürstenfeldbruck/Berlin – Wer Gerda Hasselfeldt jüngst zuhörte, als sie einen Rückblick auf 30 Jahre parlamentarisches Leben wagte, dem wurde schnell klar, was die Politik mit ihr verloren hat. Beim Politischen Club in der Evangelischen Akademie in Tutzing sprach die 67-jährige CSU-Frau über Erfolge und Niederlagen, ging kritisch mit ihrer Partei ins Gericht, vor allem aber machte sie deutlich: „Ich polarisiere nicht!“ Ihre verbindliche Art und die Fähigkeit, sich in neue Felder einzuarbeiten, mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass sie nun nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag eine neue Aufgabe anpeilt: Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).
Bei der DRK-Bundesversammlung am Freitag in Berlin kandidiert sie als einzige für die Nachfolge von Rudolf Seiters. Der inzwischen 80-jährige CDU-Politiker tritt nach 14 Jahren nicht mehr an. Schon als ihre Kandidatur bekanntgeworden war, betonte die gebürtige Straubingerin Hasselfeldt, wie sehr sie sich der humanitären und sozialen Arbeit des Roten Kreuzes verbunden fühle. Sie freue sich auf die Aufgabe, Menschen in Not zu helfen. Fremd sind ihr die Strukturen des Wohlfahrtsverbands nicht, denn schon lange engagiert sich die Katholikin für ihn auf Bayernebene.
Hasselfeldt wird die erste Frau an der Spitze des DRK sein. Derlei Premieren kennt sie zur Genüge. Die diplomierte Volkswirtin, die von einem Bauernhof stammt und deren Vater schon im Bundestag saß, gelangte über die CSU-Landesliste 1987 ins Bundesparlament. Und das erst, nachdem Franz Josef Strauß sein eigenes Mandat zurückgegeben hatte, weil er Ministerpräsident in Bayern bleiben wollte. Schon zwei Jahre später trug ihr Kanzler Helmut Kohl (CDU) das Ministerium für Bauwesen an. Ganz nüchtern analysiert sie heute, warum eine durchaus qualifizierte Jungpolitikerin mit 37 Jahren das Amt bekam: Eine Frau aus der CSU sollte es sein, davon habe es nur drei gegeben.
Reformen waren damals gefordert, mehr Einsatz für den sozialen Wohnungsbau. Mit Eifer ging die Mutter von zwei heute erwachsenen Kindern an die Sache. Vor allem war sie bereit, von erfahrenen Mitarbeitern zu lernen. Als Hasselfeldt 1991 nach der Bundestagswahl das Ministerium an die FDP-Kollegin Irmgard Schwaetzer abgab, konnte diese die Früchte ernten. Dafür hatte Schwaetzer ihrer Vorgängerin das Gesundheitsministerium überlassen. Nur ein Jahr mühte sich Hasselfeldt dort ab, dann gab sie auf, auch aus gesundheitlichen Gründen. Gesundheitsministerin – „das war ich nicht“, sagt Hasselfeldt heute. Sie habe sich deshalb auch nicht an das Amt geklammert. Hasselfeldt konzentrierte sich damals weiter auf ihr Mandat, das sie für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck errungen hatte. Dafür war sie samt Familie eigens umgezogen.
Politisch ambitioniert blieb Hasselfeldt weiter. Von 2005 bis 2011 als Vizepräsidentin des Bundestags und schließlich von 2011 bis 2017 als Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, natürlich als erste Frau. In dieser Funktion machte es ihr die eigene Partei zuletzt nicht leicht. Hasselfeldt, die als enge Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gilt, versuchte immer wieder, im Streit um die Flüchtlingspolitik zwischen den Schwesterparteien zu vermitteln. Deutlich, aber höflich zieht sie das Fazit. „Die Duftnote, die die CSU da gesetzt hat, war ein bisschen zu intensiv.“ Zuletzt habe diese gestunken, schiebt sie hinterher.
Ihr selbst ist ein christliches Wertegerüst wichtig. Faule Kompromisse will sie nicht. Als Politikerin sei Hasselfeldts Maxime gewesen, gut zu regieren, damit die Menschen das Gefühl haben, es gehe gerecht zu. Beim Deutschen Roten Kreuz wird sie das auch versuchen. Barbara Just