München/Brüssel – Mehr Verantwortung für die Mitgliedsstaaten – wenn es nach EU-Agrarkommissar Phil Hogan geht, soll das die große Leitlinie für die Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik nach 2020 (GAP) sein. Gestern stellte Hogan in Brüssel seine Zukunftspläne für die europäische Landwirtschaft vor. Es ist der erste offizielle Schritt in einem Reformprozess, der noch Jahre andauern wird.
Nach Hogans Wunsch wird die EU-Kommission künftig nur mehr die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgeben. Mit welchen Maßnahmen diese erreicht werden, soll den Mitgliedsstaaten überlassen werden. „Es soll nicht mehr in Brüssel entschieden werden, wie hoch die Hecken sind oder wie viele Bäume im Feld stehen“, sagte Hogan. Die Mitgliedsländer sollen eigene Strategien entwickeln, um ihre Landwirtschaft wirtschaftlich und nachhaltig zu gestalten. Die EU-Kommission wäre dann nur noch die letzte Kontrollinstanz, die eingreift, wenn die gemeinsam formulierten Ziele etwa zur Ressourceneffizienz und zum Umweltschutz verfehlt würden. Diese „Evolution“ des Systems solle dazu beitragen, die GAP unbürokratischer und einfacher zu gestalten. Hogan kündigte auch an, das umstrittene „Greening“-Programm abschaffen zu wollen. „Wir müssen hier ein neues System schaffen.“
Hogans Vorschlag sieht vor, dass das Zwei-Säulen-Modell der landwirtschaftlichen Förderung bestehen bleibt. Derzeit fließen rund 58 Milliarden Euro – rund 40 Prozent des EU-Haushalts – pro Jahr in die europäische Landwirtschaft. Diese Zahlungen sollen nach Hogans Wunsch gerechter verteilt werden. Eine Möglichkeit sei, die Umverteilungsprämie auszuweiten, damit kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe gezielter unterstützt werden können. Das entspricht einer langjährigen bayerischen Forderung.
Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) bewertet die Mitteilung der EU-Kommission deshalb als „vorsichtig positiv“. Auch den erweiterten Gestaltungsraum für die Mitgliedsländer begrüßt er. Viele Fragen seien aber noch offen. Entscheidend ist laut Brunner unter anderem, dass Nebenerwerbslandwirte und solche mit Einkommenskombinationen nicht von Direktzahlungen ausgeschlossen werden.
Das sieht auch der Bayerische Bauernverband so. „Um Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der bayerischen Bauern auszuschließen, muss die EU-Kommission an einheitlichen Regeln im Bereich der ersten Säule festhalten statt einer Renationalisierung Vorschub zu leisten“, sagte Bauernpräsident Walter Heidl. „Wenn es Hogan ernst meint mit der angekündigten Stärkung der bäuerlichen Betriebe, dann ist ein Werkzeugkasten an Maßnahmen nötig, der weiterhin eine differenzierte Förderung ermöglicht.“
Kritik kommt auch von anderer Seite. Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling sagte, mit diesen Vorschlägen würden weitere sieben Jahre Milliarden Euro von Steuergeldern zur Förderung eines ruinösen Wettbewerbsfähigkeits-Wettlauf aufgeboten, für den es „ökologisch, ökonomisch und politisch keine Rechtfertigung mehr geben kann“. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller fürchtet ein Rennen um die niedrigsten Standards, das die deutschen Landwirte nur verlieren könnten.
Völlig offen ist weiter, wie viel Geld für die Landwirte künftig zur Verfügung steht. Mit dem EU-Austritt der Briten fällt ein großer Beitragszahler weg. Im Mai 2018 wird EU-Finanzkommissar Günther Oettinger den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vorstellen, dann soll voraussichtlich im Sommer ein erster, konkreter Legislativvorschlag auf Basis von Hogans Plänen kommen. mit dpa