München – In bayerischen Gerichtssälen werden auch künftig neben den Richtern und Staatsanwälten keine Studentinnen mit Kopftüchern sitzen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hob gestern nach mehrstündiger Verhandlung ein Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichts auf, das Mitte 2016 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Einige Befürworter der Kopftücher hatten sich damals schon Hoffnungen gemacht, dass die Augsburger Richter dem Kopftuch in den Gerichtssälen den Weg geebnet hätten.
Doch soweit ist es nicht gekommen. Denn eine Frau muslimischen Glaubens ist mit ihrer Klage gegen ein Kopftuchverbot auf der Richterbank während des Referendariats in Bayern gescheitert (Az. 3 BV 16.2040). „Es ist für das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit und Neutralität der Justiz unabdingbar, dass schon das äußere Erscheinungsbild nicht den geringsten Anschein von Voreingenommenheit erweckt“, begrüßte Justizminister Winfried Bausback (CSU) das Urteil.
Juristen muslimischen Glaubens müssen demnach hinnehmen, dass sie ihr Kopftuch bei einigen Stationen ihres Referendariats entweder absetzen müssen oder manche Tätigkeiten nicht ausüben dürfen – nämlich als Vertreter der Staatsanwaltschaft im Gerichtssaal sitzen oder vorne direkt neben dem Richter Platz nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Juni 2017 mit einer Eilentscheidung wegen eines vergleichbaren Falls aus Hessen die Linie vorgegeben. „Auch Rechtsreferendare, die als Repräsentanten staatlicher Gewalt auftreten und als solche wahrgenommen werden, haben das staatliche Neutralitätsgebot zu beachten“, entschieden die Verfassungsrichter in Karlsruhe. Die Prozessparteien, also Kläger und Beklagte oder Angeklagte, könnten sich sonst „verletzt fühlen, wenn sie dem für sie unausweichlichen Zwang ausgesetzt werden, einen Rechtsstreit unter der Beteiligung von Repräsentanten des Staates zu führen, die ihre religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen erkennbar nach außen tragen“.
Der VGH-Senat meinte ebenfalls, dass die Einschränkung der Religionsfreiheit der betroffenen Frauen vertretbar sei. Im konkreten Fall habe die Klägerin nur an einem einzigen Tag ihres Referendariats im Amtsgericht Augsburg nicht auf der Richterbank sitzen dürfen, sie sei nicht gezwungen worden, das Kopftuch abzunehmen. Der VGH kassierte damit das Urteil aus Augsburg und ließ zudem die Revision beim Bundesverwaltungsgericht nicht zu. Die Augsburger Verwaltungsrichter hatten bemängelt, dass es für das Kopftuchverbot für Referendarinnen keine gesetzliche Grundlage gebe. Vor zehn Jahren hatte Bayerns Justizministerium eine entsprechende Auflage erlassen – dies reichte dem Verwaltungsgericht Augsburg nicht, dem VGH hingegen schon.
Bislang wurde das Kopftuchverbot in Bayern nur zwei Mal ausgesprochen. Erstmals bekam 2008 eine Studentin die Auflage. Als die jetzige Klägerin 2014 ihr Referendariat bei der Justiz begann, erhielt die damals 24-Jährige ebenfalls eine entsprechende Vorgabe. Nachdem die junge Frau ihre Zeit beim Amtsgericht abgeleistet hatte, wurde das Verbot vom Dienstherrn wieder aufgehoben. Der VGH wies darauf hin, dass es eigentlich gar keinen Klagegrund mehr gebe.
Fast unweigerlich kamen in dem Prozess auch die in fast allen bayerischen Gerichtssälen hängenden Kruzifixe zur Sprache. Die Klägerin betonte, dass sie ihr „Referendariat unter dem Kreuz absolviert“ habe, wegen ihres Kopftuchs aber stigmatisiert werde. Guido Tiesel, Leiter des Ausbildungsreferats im Justizministerium in München, sagte dazu, dass er auch mit einem Richter Probleme hätte, wenn dieser groß ein christliches Kreuz vor sich hertrage. Das Kruzifix an der Wand sei dagegen kein Problem: „Das Kreuz im Gerichtssaal spricht kein Urteil“, meinte Tiesel. „Das Kopftuch spricht auch kein Urteil“, konterten die Rechtsvertreter der Referendarin.