München – Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die hohen Unterkunftsgebühren in Flüchtlingsunterkünften gekippt: Er erklärte gestern die Gebührensatzregelung „mangels vorheriger Gebührenkalkulation“ für ungültig. Für die Flüchtlinge und die Flüchtlingshelfer ist dieses Urteil ein Riesenerfolg. Pfarrer Jost Herrmann aus Weilheim, hauptamtlicher Asylkoordinator im Oberland, zeigte sich gestern hocherfreut. „Wir haben gewonnen! Das ist eine schallende Ohrfeige für die bayerische Staatsregierung. Auf 42 Seiten wird sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgekanzelt“, sagte Herrmann.
Wie berichtet, müssen bislang Asylbewerber und Flüchtlinge, die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind und einer Arbeit nachgehen, Gebühren für Unterkunft und Strom bezahlen. Pro Bett wird derzeit von den Landratsämtern eine Gebühr von 311 Euro erhoben – unabhängig davon, wie viele Bewohner in einem Raum untergebracht sind. Und rückwirkend bis 2015. Mit dem Ergebnis, dass Bewohner plötzlich Schulden in vierstelliger Höhe beim Staat hatten. Die anerkannten Flüchtlinge, denen es kaum möglich ist, auf dem freien Wohnungsmarkt eine bezahlbare Unterkunft zu finden, sind auf die Unterbringung in staatlichen Unterkünften angewiesen. Durch die Schulden, die mit der Unterkunftsgebühr entstehen, sind sie aber noch weniger in der Lage, eine eigene Wohnung zu bezahlen.
Jost Herrmann nennt die bislang erhobene Gebühr „Wucher“. Auf dem 4. Asylgipfel im Juli 2017 war die Klage gegen die Berechnung angestoßen worden. Dass auch das Gericht die Berechnung so abkanzeln würde, hätte er nicht erwartet. Bisher werden die Kosten nach der Grundsicherung für Arbeitssuchende laut Sozialgesetzbuch berechnet. Laut Gericht führt das dazu, dass für Asylbewerberunterkünfte ein Quadratmeterpreis von 44,42 Euro in Rechnung gestellt werde. Selbst in München, so heißt es in dem Urteil explizit, liege der Quadratmeterpreis bei 19 Euro. Diese Berechnung gehe nicht, stattdessen müssten die tatsächlichen Kosten erhoben werden. Dabei dürften aber auch nicht die Finanzierung von Betreuern und Sicherheitskräften mit einfließen. Die Fürsorge für Bedürftige, so heißt es in dem 42-seitigen Urteil, gehöre zu den selbstverständlichen Verpflichtungen des Staates und dürfe nicht eins zu eins den Empfängern in Rechnung gestellt werden.
Die Landtagsfraktion der Grünen begrüßte das Urteil und fordert die Staatsregierung auf, die Bescheide aufzuheben und die Gebühren zurückzuerstatten. cm