Die Dirndlschneiderin

von Redaktion

von magdalena Höcherl

Eine Werkstatt ist zum Arbeiten da. Praktisch, funktional, sortiert. Gemütlich und bunt stellt man sich die wenigsten vor. Doch genau so sieht der Arbeitsplatz von Katharina Hofner, 21, aus Münsing im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen aus. An der Wand hängen Kinderfotos von ihr und ihrem Bruder Franzi. Neben Postkarten, auf denen „Bazi“ und „I mog di“ steht, sind bunte Anstecknadeln in Herzform gepinnt.

In dem Zimmer im ersten Stock ihres Elternhauses mit Blick auf den großen Garten sammelt sich auf 16 Quadratmetern alles, was das Schneiderherz begehrt. Hier ist „Kathis Dirndlwerkstatt“ daheim, das Reich der besten Damentrachtenschneiderin Deutschlands. Diesen Titel hat sich die junge Frau mit der blonden Flechtfrisur, die ihre Schneiderlehre bei Dirndl-Koryphäe Uschi Disl senior in Großeglsee absolvierte, im vergangenen Jahr ernäht. Mit ihrem Gesellenstück wurde sie sowohl Innungs- als auch Landesbeste.

„Es ist ein weinrotes Dirndl mit Herzerl-Borte, grauem Rock und einer weinrot-beigen Schürze im Paisleymuster“, sagt Katharina Hofner nicht ohne ein bisschen Stolz in der Stimme. Im Kreativwettbewerb des deutschen Handwerks „Die gute Form im Handwerk“ holte die Münsingerin mit ihrem Dirndl in der Kategorie Damentrachtenschneiderin den ersten Platz. Gerechnet hatte sie nie mit diesem Erfolg. „Es hat sich einfach so ergeben.“

Das hatte Folgen: Katharina Hofner verwirklichte eine Idee, mit der sie schon länger gespielt hatte. Anfang des Jahres meldete sie ein Kleingewerbe an. Seither arbeitet sie nur noch in Teilzeit als Gesellin bei Uschi Disl, den Rest der Zeit steckt sie in ihre Dirndlwerkstatt. „Die nächsten Monate bin ich komplett ausgebucht“, sagt sie. Anfangs hat sie Verwandte und Freunde ausgestattet, mittlerweile kommen die Anfragen bis aus München. Gerade arbeitet sie an mehreren Dirndln parallel.

Katharina sitzt an dem Holztisch, auf dem die Nähmaschine steht. Vor ihr drei Stoffteile in Dunkelblau, Grau und Orange. „Das werden drei Oberteile“, sagt sie, während sie mit der Maschine Knopflöcher vorsteppt, die später von Hand fertig ausgenäht und mit Knöpfen versehen werden. Eine von Katharinas leichtesten Übungen.

Etwa drei Tage braucht sie für ein komplettes Dirndl, 20 bis 25 Stunden insgesamt. Das ist natürlich immer vom Modell abhängig. „Für unser Burschenfest habe ich mir selber ein Miedergewand genäht. Das war schon noch mal was anderes“, sagt Katharina in schönstem Oberbairisch. Zu einem knöchellangen Rock in Beerentönen, Katharinas Lieblingsfarben, gesellt sich eine braune, langärmelige Bluse.

Katharina Hofner hat in mühevoller Detailarbeit ein rautenförmiges Muster eingesteppt. Die Kür war der schwarze Miederpanzer, den sie selbst gebaut hat. Sie schlüpft hinein und zeigt, wie man das Korsett schnürt. „Über die Schultern lege ich noch das Tuch – und das Miedergwand ist komplett.“ Alltagstauglich ist die Festtracht kaum, aber Katharina Hofner hat etliche Alternativen.

In ihrem Schlafzimmer neben dem Schneiderreich stehen zwei Schränke. Einer voll mit Jeans, T-Shirts, Pullis. Der andere, ein blau lackierter Holzschrank, ist randvoll gefüllt mit Dirndln und Röcken, Oberteilen und Schürzen. Einfarbig, geblümt, kariert, gepunktet, in Grün und Blau, in Rot, Rosa und Grau. „An die 25 Dirndl dürften es schon sein“, schätzt Katharina Hofner. Sie mag die zweiteilige Tracht lieber als das klassische Dirndlkleid, weil es mehr Kombinationsmöglichkeiten gibt.

Und die braucht sie, denn Dirndl trägt die junge Frau nicht nur während der Arbeit im Trachtenladen, sondern auch so gut wie jedes Wochenende privat. „Dirndl ziehe ich schon immer gern an, zu den verschiedensten Anlässen.“

In und um Katharina Hofners Heimatort, die 4000-Seelen-Gemeinde Münsing am Ostufer des Starnberger Sees, gibt es davon genügend. Die junge Frau ist dort tief verwurzelt. Sie spielt Flügelhorn in der Musikkapelle, ist Mitglied im Burschenverein und in der Gaudi-Garde. „Das Dirndl ist einfach unser Gwand.“ Quasi bayerisches Lebensgefühl zum Überstreifen. „Ein Rüschenkleid würde gar nicht zu mir passen. Mit einem Dirndl ist man einfach immer gut angezogen.“

Mittlerweile schneidert Katharina Hofner ihre liebsten Kleidungsstücke selbst – eines hübscher als das andere. Besonders gut gefällt ihr derzeit ihre neueste Kreation. „Die ist allerdings auch nicht mehr so neu – momentan bleibt einfach keine Zeit, um für mich selbst zu nähen.“ Über dem leichten, cremefarbenen Baumwollrock, der über und über mit Blumen bedruckt ist, ist eine hellblaue Schürze gebunden. Das himbeerfarbene Oberteil aus Lodenstoff ist vorne schlicht, wie die Schneiderin es gerne mag. Die Rückseite ist mit einem gerafften Schößchen aufwendiger gestaltet. Zwischen die Schulterblätter hat die junge Frau den Buchstaben K eingestickt.

Komplett ist die Tracht aber erst mit einem Schmuckstück: eine Halskette mit einer goldenen Schere im Miniaturformat – ein Geschenk von ihrem Freund. Von ihm stammt auch ein besonderes Utensil in Katharina Hofners Schneiderzimmer. An der Wand, neben den Fotos und Schränken, die mit Knöpfen, Borten, Kordeln, Häkchen, Schnittmustern und Maßbändern gefüllt sind, hängt ein selbstgezimmertes Regal. Dort sind etwa 100 Fadenrollen fein säuberlich aufgereiht, die per Knopfdruck ins rechte Licht gerückt werden. „Mein Freund ist Elektriker, da darf das natürlich nicht fehlen“, sagt Katharina Hofner grinsend, während sie am Tisch mit der Nähmaschine unter dem Regal weiter an den drei Oberteilen arbeitet.

Handarbeit hat ihr schon als kleines Mädchen Spaß gemacht. „Ich habe viel gebastelt und gemalt“, erinnert sich Katharina Hofner. Nähen kam ihr jedoch erst in den Sinn, als in der Realschule ein Praktikum anstand. Weil sie schon als Kind keine gewöhnlichen Berufswünsche hatte – früher wollte sie Blechblasinstrumentenbauerin oder Goldschmiedin werden –, entschied sie sich für ein Praktikum im Trachtenladen im Dietramszeller Ortsteil Großeglsee, den die Mutter von Ex-Biathletin Uschi Disl führt.

Bevor die Schnupperwoche begann, riet ihr die Mama, vorher wenigstens einmal ein paar Stiche zu probieren. „Also hab’ ich ein grünes Federmäppchen genäht und rote Herzen draufgestickt“, erzählt Katharina Hofner. „Schaut zwar katastrophal aus, aber ich benutze es immer noch.“ Obwohl sie damals kaum Näherfahrung hatte, fühlte sie sich während ihres Praktikums in dem Trachtenladen zwischen Stoff und Nähmaschine sofort wohl – und entpuppte sich als Naturtalent.

Das Mädchen durfte Herzerl- und Froschmaulborten nähen und Holzstäbe in Miederpanzer einziehen. „Das hat gleich gut geklappt.“ Ihr Geschick überzeugte auch Uschi Disl. „Am Ende der Woche haben wir ausgemacht, dass ich nach meinem Schulabschluss bei ihr in die Ausbildung gehe.“ Diese Entscheidung hat die junge Frau bis jetzt nicht bereut. Sie genießt sowohl die Arbeit im Trachtenladen als auch die in ihrer eigenen Werkstatt. Gleichzeitig absolviert sie eine Meisterausbildung.

Weil sie damit gut beschäftigt ist, nimmt Katharina Hofner derzeit keine Aufträge mehr an – auch wenn das Oktoberfest und damit die Dirndl-Hochsaison bevorsteht. Doch Katharina Hofner ist ohnehin kein Wiesn-Fan. „Wenn ich hingehe, dann nur in einem Baatz-Dirndl.“ Heißt: in einem älteren Modell, das dreckig werden darf. Denn in ihren Augen ist ein Dirndl zwar ein Festgewand, aber als Outfit für eine Touristen-Party wie die Wiesn viel zu schade. Und ein in liebevoller Handarbeit gefertigtes Hofner-Dirndl erst recht.

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