Demut war gestern: Ordensfrauen protestieren

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Wie Revoluzzerinnen sehen sie nicht aus, Schwester Karolina Schweihofer und Schwester Susanne Schneider von den Missionarinnen Christi in München. Sie zetteln auch keine Revolution in der katholischen Kirche an. Aber sie sind es leid, in ihrer Kirche als Frauen und Ordensschwestern nicht entsprechend gehört zu werden. Daher organisieren sie mit sechs weiteren Glaubensschwestern am Sonntag, dem Weltfrauentag, eine Wallfahrt und eine Menschenkette um den Münchner Liebfrauendom. Erwartet werden bis zu 300 Unterstützer, willkommen sind natürlich auch Männer.

„In unserer Kirche sind wir machtlos, haben kein Stimmrecht, sind zum Schweigen verurteilt“, ärgert sich Schwester Karolina. Doch die Zeit des Bittens ist für sie vorbei. Schwester Susanne (56) ist Theologin und arbeitet bei Missio München in der Bildungsabteilung. Die Frauen wollen das Schweigen durchbrechen, sie wollen Verantwortung für ihre Zukunft übernehmen. Das Kernteam für die Veranstaltung besteht aus acht Ordensfrauen, aber unterstützt werden sie auch von den katholischen Frauenverbänden KDFB und kfd, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, den kirchlichen Reformgruppen „Wir sind Kirche“, dem Münchner Kreis und der Gemeindeinitiative.

Es geht den Schwestern um einen größeren Zusammenhang: Ausgehend vom Schock des sexuellen Missbrauchs in der Kirche, wo auch Ordensfrauen zu Opfern wurden, ist den Schwestern klar geworden, dass sich etwas ändern muss in Mutter Kirche. „Du erfüllst deine Aufgabe, bist demütig, schweigsam und dann ändert sich was“, lautete über Jahrhunderte das Credo in den Frauenorden. Sie dachten, dass sich durch ihre gelebten Ideale etwas ändern würde. „Dann haben wir Argumente gegen die ungerechte Benachteiligung der Frauen gebracht“, berichtet Schwester Susanne. Doch auch hier blieb es bei Diskussionen. „Jetzt werden wir mal lauter und schauen, ob es mehr wirkt als die bisherigen Strategien“, sagt sie forsch. Ohne Druck ändere sich nichts. Früher habe es geheißen: „Du schadest dem System, das bringt die Leute durcheinander.“

Jetzt wollen die Ordensfrauen keine falsche Rücksicht mehr nehmen: „Was da passiert, geht so nicht mehr. Wenn in Afrika Novizinnen die Beichte mit Sex bezahlen müssen, dann stimmt da was nicht.“ Sie wollen nicht spirituell abhängig sein von den Klerikern. Warum muss es ein Mann sein, der die Beichte abnimmt?

Der Ausschluss der Frauen von den Ämtern in der Kirche ist nach Überzeugung von Schwester Susanne nicht von Gott gewollt. „Wir fühlen uns nicht unserer Berufung gemäß gewürdigt“, sagt die Theologin. Sie glaubt nicht einmal, dass die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern in der Kirche eine Eintrittswelle auslösen könnte. Den geistlichen Frauen geht es um das Evangelium, um Jesus, um Berufung und eine Anerkennung der gleichen Würde von Männern und Frauen, „die in der Bibel grundgelegt und im Laufe des Patriarchats verschwunden ist“.

Was der Papst in seinem Papier zur Amazonassynode über Frauen gesagt hat, das geht nimmer – „Punkt, Schluss. Aus“. Wer die Bedeutung und Beteiligung von Frauen in der Kirche nur mit ihrer Zulassung zur Weihe stärken wolle, greife zu kurz und „klerikalisiere“ Frauen, hatte Franziskus geschrieben. Damit wollen sich Schwester Susanne und ihre Mitstreiterinnen nicht abfinden. Die Ordensfrauen wollen ihre Vorstellungen laut und deutlich vertreten, eine Spaltung wollen sie allerdings nicht. Es soll vorangehen mit der Kirche. Die Organisatorinnen der Frauenwallfahrt sind überzeugt davon, dass die Mehrheit der „soliden Theologie“ und des Kirchenvolks mit Änderungen einverstanden wäre. Am Ende ihrer Wallfahrt wollen die Teilnehmerinnen die Frauenkirche mit einer Menschenkette umringen. „Wir wollen die Frauenkirche umarmen und so zeigen, wie sehr uns die Zukunft der Kirche am Herzen liegt.“ Nach Revolution klingt das nicht, aber nach Dringlichkeit.

Frauen erheben ihre Stimme

Am Weltfrauentag diesen Sonntag treffen sich Ordensschwestern und Vertreter von katholischen Frauen- und Reformgruppen um 14.30 Uhr zu einer Kundgebung vor der Bürgersaalkirche, Neuhauserstraße in München. Ab 15.30 Uhr ziehen sie zum Dom.

Montag, 4. Dezember 2023
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