München – Kochjacke, Mundschutzmaske und ein Plakat: So hat Manuel Reheis am Freitag vor der Staatskanzlei demonstriert. Der 52-Jährige ist seit 26 Jahren Geschäftsführer und Küchenchef im Restaurant Broeding in Neuhausen in München. Gerade ist das Lokal natürlich geschlossen – und Reheis und seinen Partner plagen wie alle Gastronomen Zukunftsängste.
Ministerpräsident Markus Söder hat gestern Lockerungen für Gastronomie und Hotels um Pfingsten herum in Aussicht gestellt. „Die Branche braucht eine Perspektive“, fordert Frank-Ulrich John, Sprecher des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands. Die Situation sei ernst: „Viele Gastronomen kämpfen gerade um ihre Existenz.“ Fast alle Einnahmen sind weggebrochen, nicht alle Wirte haben schon Soforthilfe bekommen. „Die Ausgaben laufen aber weiter.“
Küchenchef Reheis hat zwar einen positiven Soforthilfe-Bescheid erhalten. „Dafür sind wir sehr dankbar“, betont er. Aber: „Bei der Berechnung werden Personalkosten nicht anerkannt.“ Das bestätigt das Wirtschaftsministerium: „Der gesamte Personalaufwand ist nicht umfasst“, erklärt ein Sprecher. Für Reheis der ausschlaggebende Grund für seinen Protest. 16 Mitarbeiter arbeiten im Broeding, sie sind in Kurzarbeit. Dennoch würden weiter Kosten für sie anfallen, zum Beispiel für die Altersvorsorge. Ein wenig Personal benötigt Reheis für ein Gemüse-Pflanzprojekt und für eine Aktion, im Rahmen derer Kleinlieferanten des Restaurants ihre Produkte anbieten können. „Wir zahlen unser Personal sehr gut. Doch das rächt sich jetzt leider.“
Einer der Gastronomen, die noch auf alle Hilfen warten, ist Benjamin Karweina von der Schlossgaststätte Falkenberg in Moosach (Kreis Ebersberg). „Wir haben nur die Eingangsbestätigung für den Antrag bekommen“, sagt der 30-Jährige. Er wünscht sich mehr Unterstützung: „Wir bräuchten ein separates Rettungspaket nur für die Gastronomie“, fordert er. „Im Gegensatz zum Einzelhandel kann ich mein Essen schlecht online verkaufen.“ Eigentlich lebe die Wirtschaft im Sommer vor allem von Ausflüglern, die in den Wirtsgarten kommen – doch dieses Geschäft fällt heuer wohl weg. Hinzu kommt der Ausfall von Veranstaltungen. Anneliese Hofmeier betreibt mit ihrem Mann das Hotel und den Landgasthof Hofmeier in Hetzenhausen (Kreis Freising). „Von April bis Ende Oktober hätten wir eigentlich jeden Samstag eine Hochzeit mit 60 bis 100 Gästen gehabt“, berichtet sie. Die meisten Feiern sind abgesagt. Inklusive Aushilfen sind im Betrieb 50 Mitarbeiter beschäftigt. Das Kurzarbeitergeld sei noch nicht da: „Wir müssen es erst einmal auslegen“, sagt Hofmeier. „Die Soforthilfe reicht nicht einmal für die Personalkosten.“ Ihr Sohn will die Firma übernehmen, er wird noch länger mit den Folgen der Krise zu kämpfen haben. „In der Gastronomie können wir Umsätze nicht aufholen“, erklärt sie. „Ein Zimmer, das jetzt nicht belegt ist, können wir später nicht doppelt belegen und ein Essen nicht nachträglich verkaufen.“ Auch sie wünscht sich einen Rettungsschirm.
Das unterstützt der Hotel- und Gaststättenverband. „In der Branche hat man fast keine Chance, Liquidität aufzubauen“, erklärt John. 87 Prozent aller Betriebe hätten einen Jahresumsatz unter 500 000 Euro, viele Unternehmerfamilien ein durchschnittliches Einkommen unter 2000 Euro – eine Lösung über Kredite sei deshalb nicht sinnvoll. „Ohne Rettungsfonds geht es sich nicht aus.“
Aufgeben kommt für die Gastronomen aber nicht infrage: „Wir werden für unsere Gäste da sein, egal, was passiert“, verspricht Reheis. „Wir müssen uns aber Optionen überlegen, falls wir uns die jetzigen Räumlichkeiten irgendwann nicht mehr leisten können.“ Er hofft, möglichst bald wieder öffnen zu dürfen. Ein Alkohol-Verbot sieht er zwar skeptisch, zumal sich das Broeding auf gute Weine spezialisiert hat: „Niemand setzt sich in ein Restaurant, isst ein Fünf-Gänge-Menü und trinkt Wasser“, sagt er. Aber grundsätzlich sei man bereit, sich an Schutzmaßnahmen zu halten: „In der Gastronomie kennen wir uns aus mit dem Infektionsschutzgesetz.“