München – Im Kampf gegen Coronaviren setzen Ärzte auch auf Medikamente, die ursprünglich gegen andere Krankheiten zugelassen wurden. Denn vielleicht finden sich darunter Arzneien, die zufällig auch Sars-CoV-2-Viren stoppen. Einige Kandidaten, darunter Grippemittel, werden bereits an Covid-19-Patienten getestet. Doch wie findet man mehr solcher Medikamente? Und vor allem: Wie geht das noch schneller?
Eine Antwort darauf liefert jetzt ein Forscherteam der Technischen Universität (TU) München: Dort will man die Suche mit mehr System und dank Künstlicher Intelligenz beschleunigen – mithilfe einer Online-Plattform zur Datenanalyse, die anderen Forschern zum praktischen Werkzeug werden soll. „Unser netzwerkbasierter Ansatz kann die Identifizierung potenzieller Arzneimittel für die Behandlung von Covid-19 ganz erheblich beschleunigen“, sagt Jan Baumbach, Professor für Experimentelle Bioinformatik an der TU München.
Die Plattform soll helfen, Viren zu stoppen, die bereits in menschliche Zellen eingedrungen sind. Das könnte sogar vorteilhaft sein, wenn sich Erreger mit der Zeit verändern und dadurch einer Behandlung entgehen würden. Um die Genesung Covid-19-Kranker zu unterstützen, wäre es schon allein hilfreich, wenn auch nur die Massenproduktion der Erreger in den Zellen gestoppt wird. „Das kann bei möglichen zukünftigen Wellen und Epidemien von großer Bedeutung sein“, so Baumbach.
Der Hintergrund: Um sich zu vermehren und noch mehr Schaden im Körper anzurichten, beschlagnahmen Viren kurzerhand die Eiweiß- und Erbgutfabriken ihrer Opferzellen. Sie zwingen diese, ihre Produktion auf Viren umzustellen. Die versklavten Zellen bilden dann Einzelteile neuer Viren, die sich zu neuen Erregern zusammenfügen. Am Ende dieses Zyklus steht eine neue Virus-Generation, der bald viele weitere Zellen zum Opfer fallen.
Genau hier setzen die TU-Forscher an: Sie haben alle derzeit bekannten menschlichen Eiweiße aufgespürt, die an der Virusmassenproduktion beteiligt sind. Denn sie alle könnten zum Ziel von Medikamenten werden. Die Wissenschaftler haben ihre Software zudem mit Daten zu bekannten Zielen bereits zugelassener Arzneien gefüttert. Mathematische Algorithmen übernehmen nun den Abgleich dieser Datenpakete. Dabei werden auch die hochkomplexen Netzwerke miteinbezogen, die zwischen den Eiweißen in menschlichen Zellen bestehen. „Coronavirus Explorer“, kurz: CoVex, heißt die für jeden zugängliche Plattform, die aber vor allem Virologen ihre Arbeit erleichtern soll. Ziel von CoVex sei es, Daten besser und auch für Nicht-Informatiker zugänglich und mithilfe von Künstlicher Intelligenz analysierbar zu machen, erklärt Baumbach.
Doch was, wenn Forscher mittels CoVex tatsächlich eine interessante Arznei aufspüren? Dann fängt die Arbeit erst richtig an. Denn dass diese wirklich Sars-CoV-2-Viren stoppt, muss erst geprüft werden. Mit einer Software allein lässt sich das nicht vorhersagen.