Gar Gruseliges und Grausames hat sich anno 1781 in München zugetragen. Der berüchtigte Räuber Matthias Sandner erlitt nach etlichen Qualen auf dem öffentlichen Richtplatz auf dem Marsfeld – gegenüber des heutigen Augustiner-Biergartens an der Arnulfstraße – den Martertod. Auf einer Kuhhaut wurde der 19-Jährige zunächst zum Richtplatz geschleift, dann vom Scharfrichter mit einer glühenden Zange malträtiert und schließlich von oben herab gerädert – das heißt mit einem schweren Rad erdrückt.
Die Geschichte Sandners, der Anführer der sogenannten Windbeutl-Bande war, hat der findige Heimatforscher Ernst Keller aus Fürholzen (Kreis Freising) ausgegraben – die neunköpfige Bande war auch in Kreuth, einem Weiler der Gemeinde Allershausen, aufgekreuzt und hatte den Einödbauern und seine Familie „auf unmenschliche Art gequält und gemartert und an den empfindlichsten Teilen des Unterleibs gebrennt“, wie es in einem nach der Ergreifung der Täter viel verkauften „Armesünderblatt“ hieß. Armesünderblätter waren vierseitige Druckschriften – das über Sandner hat Keller in der Bayerischen Staatsbibliothek gefunden. Es trug den Titel „Wohlverdientes Todesurteil“. Im Germanisches Nationalmuseum fand er zudem eine Grafik über die Vierteilung des Räubers.
Nun erinnert die Folterung des Haupttäters und seine öffentliche Zurschaustellung ans tiefste Mittelalter. Doch es war an der Schwelle zur Neuzeit – tatsächlich waren öffentliche Hinrichtungen bis ins 19. Jahrhundert verbreitet. Das war die Zeit, in der der moderne Staat entstand, erste Polizeien gegründet wurden und sich ein polizeiliches Bild vom „Verbrecher“ formte. Allen möglichen Theorien wurde hinterhergejagt: Gab es einen besonderen Verbrechertypus? Konnte man solche Leute vielleicht an äußeren Merkmalen erkennen?
Abstrakt gesprochen wurden die Verbrechen der Räuberbande auch zur Festigung von Herrschaftsansprüchen ausgenutzt. Erkennbar ist das auch am Fall Sandner: Kurfürst Karl Theodor (1724-1799) schaltete sich ein und erließ am 7. Juli 1781 wegen angeblich überhand nehmender Raubüberfälle ein Generalmandat mit einer, wie Keller sagt, „erbarmungslosen Strafverschärfung“. Er ließ auch eine Liste mit 51 Namen von Dieben und Räubern jungen Alters in einer Flugschrift veröffentlichen, die vor allem „Post- und andere Straßen-Räubereien“ begangen hätten. An dieser Liste fällt auf, dass den Gesuchten negative körperliche Merkmale zugeschrieben wurden: Der eine hatte eine bucklige spitze Nase, der nächste rote Augenbrauen, rote Haare und Bart, manche waren durch Schusswunden gekennzeichnet.
Wer das las, dem sollte ein Schauer über den Rücken laufen. Durchgreifen, keine Gnade walten lassen – das waren die Prinzipien, die nun galten. „Die neue Verordnung wurde ohne jede Rücksicht auf besondere Umstände angewendet, jeder einfache Diebstahl, jeder Einbruch mit dem Tod durch den Strang bestraft“, erklärt Forscher Keller. Schwerer Raub wurde sogar mit dem Tod durch das Rad bestraft.
Den Stein im Fall der Windbeutl-Bande ins Rollen gebracht hatte die Verhaftung des Bartholomäus N., genannt Tyroller Barthl. Obwohl er nur an zwei Mühlen-Überfällen als Späher beteiligt war, wurde der Tiroler als Erster der Bande hingerichtet (25. Mai 1781 in München mit dem Strang), nannte vorher aber noch die Namen der Mittäter.
Seine mutmaßlich unter Folter abgepresste Denunziation überführte auch Matthias Sandner, einen katholischen Bauernburschen aus dem Badischen, der erstmals 1780 im kurfürstlichen Pfleggericht Aichach wegen „Herumvagieren“ und Diebstählen verhaftet worden war. Unter der Folter gestand er neun Straßenräubereien. Unter anderem hatte er mit seinen Kumpanen auf der Landstraße nach Landsberg einem Silberkrämer aus Mindelheim mit „verlarvten Gesichtern und Schießgewehren wie ein Tiger aufgelauert“ und ihn ausgeraubt, wobei der Mann und seine Tochter misshandelt wurden.
Wenig später suchte die „Räubersrotte“ die Trenklmühle bei Aichach heim, wobei die Müllerin gequält und auf die Müllersburschen und Dienstboten geschossen wurde. „Sandner muss ein Sadist gewesen sein“, sagt Keller. Nicht minder sadistisch veranlagt scheinen aber auch seine Richter gewesen zu sein: Sandners Leiche wurde gevierteilt, die Leichenteile am Ort der Verbrechen öffentlich zur Schau gestellt. DIRK WALTER