Trainieren für die Glückshormone

von Redaktion

VON CORNELIA SCHRAMM

Baiernrain – Der Wecker hat nicht geklingelt. Das Hemd ist fleckig. Das Auto springt nicht an. Jeder kennt diese Momente. Sie stimmen uns schon morgens mürrisch und lassen sich den ganzen Tag nicht abschütteln. Kurz nach Ostern raste auch Ute Liebhards Laune beim Blick aus dem Fenster in den Keller: „Neuschnee! Und das, nachdem der Frühling schon so schön Einzug gehalten hat!“ Jeder ist eben mal genervt, das weiß Liebhard genau: „Miese Laune und Trauer gehören zum Leben einfach dazu. Aber jeder kann entscheiden, wie schnell er aus dem Negativ-Loch hinauskommt.“

Als Lachtrainerin hat sich Liebhard schließlich dem Kampf gegen schlechte Laune verschrieben. Sie kennt so manchen Kniff gegen Miesepetrigkeit: „Die Arme kommen vor den Körper. Ellenbogen und Handflächen werden aneinandergedrückt. Dann öffnet man dieses Fenster.“ Was man dahinter sieht, ist ganz der eigenen Fantasie überlassen: Ob blauer Himmel, Sonnenschein oder leckeres Essen – schon muss man grinsen, verspricht Liebhard. Alternativ hilft auch ein Blick in den Spiegel: „Wie beim Flirten schauen wir uns selbst tief in die Augen und lächeln. Das löst in uns das Gefühl aus, es sei etwas Gutes passiert“, sagt sie. Unser Körper schüttet dann Glückshormone aus, sogenannte Neurotransmitter.

Ob wir lachen, weil etwas lustig ist, oder ob wir uns zum Lachen bringen, ist laut neurobiologischen Untersuchungen egal, weiß die Expertin. Dabei werden die gleichen Glückshormone ausgeschüttet. „Unsere Gefühle werden zu 80 Prozent vom Körper gesteuert. Deshalb könnten wir sie fast zu jedem Moment selbst kontrollieren“, sagt Liebhard. Mittels Lachyoga konnte sie einst ihr Leben wieder ins Lot bringen.

„Der Stress im Beruf hat mich damals ganz unbewusst krank gemacht“, erzählt sie. Mit Ohrensausen, Energie- und Antriebslosigkeit hatte ihr Körper schon lange zu kämpfen, als ihre Freunde befürchteten, sie habe Depressionen. 2006 hat Liebhard sich deshalb auch zur Lachtherapeutin ausbilden lassen. Als eine der Vorsitzenden des Berufsverbands für Lachyoga und Humortraining gibt sie nun selbst Kurse. „Ich lache jeden Dienstag um 19 Uhr“, sagt Liebhard. Ihre Arbeit findet sie in Corona-Zeiten wichtiger denn je. Ein Rentner aus ihrer Gruppe sitze seit vergangenem Jahr fast nur noch allein in seiner Wohnung. Im Online-Kurs blühe er jedes Mal förmlich auf.

Witze werden in Liebhards Kursen aber nicht erzählt. „Wir tun das, was man im Alltag eher selten macht und was unser Lachen ermutigt, wieder zum Vorschein zu kommen“, erzählt sie. „So kichern wir zum Beispiel oder atmen lachend aus. Oder wir laufen als Übung wie Pinguine durch die Gegend.“ Das hat therapeutische Gründe: Das Lachen muss erst einmal wieder hervorgelockt werden, bekommt man als Kind doch eingetrichtert, nicht zu laut herumzualbern. Verschiedene Atem- und Koordinationsübungen und Sätze wie „Du hast alles richtig gemacht“ oder „Du schaust gut aus“ wirken wie positive Verstärker auf die eigene Laune. Vor allem, wenn sie noch mit überschwänglichen Gesten kombiniert werden.

Je paradoxer die Übung, desto effektiver ihre Wirkung. Daher kommt Liebhard auch gerne auf das „Kuckuckspiel“ zurück. Vor dem heimischen Spiegel kann es ebenfalls gut umgesetzt werden. „Ob alleine oder in der Gruppe: Ziel ist nicht, wild darauflos zu lachen. Vielmehr soll das Lachen sich entfalten, weil das dazu führt, dass wir runterkommen und ein Wohlfühlmodus einsetzt“, sagt Liebhard. „Lachen und Denken funktionieren nämlich nicht gleichzeitig.“ Dadurch lässt sich unser Gedankenkarussell anhalten. Probleme sind zumindest für kurze Zeit vergessen. Und das Lachen auf Abruf kann man üben – bis es immer leichter fällt. „Dann gewinnt man an Leichtigkeit und nimmt im Alltag nicht mehr alles ganz so ernst.“

Der Weltlachtag

ist am 2. Mai. Deshalb bietet der Europäische Berufsverband für Lachyoga und Humortraining e.V. auf www.lachverband.org an diesem Tag Gratis-Kurse an.

Artikel 2 von 11