8400 Härtefälle für die Impfkommission

von Redaktion

VON DOMINIK GÖTTLER

München – Als die Bundesregierung im Dezember die Impfreihenfolge festzurrte, fürchtete so mancher, durchs Raster zu fallen. Nicht alle Menschen mit Behinderung zum Beispiel wurden bei der Priorisierung berücksichtigt. Und auch bei einigen seltenen, aber schweren Krankheiten sah die Verordnung nicht zwingend eine schnelle Impfung vor. Für solche Härtefälle hat das bayerische Gesundheitsministerium eine Impfkommission ins Leben gerufen, die Einzelfälle prüfte und bei erhöhtem Risiko ein Attest für eine schnellere Impfung ausstellte.

Seit Anfang März nahm die Kommission unter der Leitung von Prof. Karl-Walter Jauch, emeritierter Ärztlicher Direktor des Klinikums der LMU München, Anträge entgegen. Nun haben die Verantwortlichen Bilanz gezogen. Von insgesamt 8734 Anträgen wurden 8428 genehmigt, also rund 96 Prozent. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) dankte den Mitgliedern der Kommission und sagte, dadurch konnte „eine Lücke in der Impfpriorisierung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen oder anderen Vorerkrankungen geschlossen werden“.

Jauch berichtete, besonders im März sei die Zahl der Anträge hoch gewesen. Es hätten sich viele Schwerkranke oder deren Angehörige gemeldet, die dringend eine Impfung benötigten. Menschen mit Querschnittslähmung etwa, die zu Hause rund um die Uhr beatmet werden. „Aber auch Menschen mit extrem seltenen Krankheiten, die wir erst gar nicht gekannt haben“, sagte Jauch. Nach knapp 5500 Anträgen im März folgten im April immer noch gut 2300, im Mai waren es noch knapp 1000 Anträge. Elf Prozent der Antragssteller hatten einen Pflegegrad, 44 Prozent eine Behinderung. „Wir konnten vielen Leuten helfen, einen zeitigen Impftermin zu bekommen“, sagte Jauch.

Susanne Breit-Keßler, Vorsitzende des Bayerischen Ethikrates und ebenfalls Mitglied der Impfkommission, betonte, die Regeln zur Impfpriorisierung seien klar, aber manchmal spiele das Leben eben anders. In der wöchentlich tagenden Kommission habe man den Blick auf den einzelnen Menschen richten können. Sowohl Jauch als auch Breit-Keßler berichteten, dass es in den vergangenen Wochen aber auch Anträge gab, die unter die Kategorie Impfdrängler fielen. Da sei schon mal jemand dabei gewesen, der als Begründung für eine höhere Priorisierung seinen Heuschnupfen herangezogen habe. Oder Angehörige, die plötzlich angaben, ihre in einem Seniorenheim untergebrachte Mutter täglich zu pflegen – obwohl das Heim 500 Kilometer entfernt ist. „So sehr wir den Wunsch nach einem Besuch im Pflegeheim nachvollziehen können, aber allein deshalb ist eine Impfpriorisierung nicht vertretbar“, sagte Jauch. Der Anteil der Impfdrängler sei aber sehr gering gewesen.

Da mittlerweile immer mehr Menschen aus den ersten Priorisierungsgruppen ein Impfangebot erhalten haben, gingen bei der Impfkommission nur noch wenige Anträge ein. Deshalb wird das Gremium im Juni seine Arbeit beenden. Jauch verweist nun auf die Hausärzte, bei denen die Impfpriorisierung seit knapp zwei Wochen aufgehoben ist. Der Hausarzt sei der beste Ansprechpartner, weil er die Krankheitsgeschichte seiner Patienten am besten kenne. „Unser Nadelöhr bleibt hier der Impfstoff“, gibt Minister Holetschek zu. Deshalb werde Bayern die Priorisierung in den Impfzentren entgegen dem Vorschlag aus dem Bund noch aufrechterhalten.

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