Emotionaler Auftakt im Ruderunfall-Prozess

von Redaktion

VON TOBIAS GMACH UND CHRISTOF RÜHRMAIR

Starnberg – „Irgendwann haben wir das leere Boot gesehen. Das war einfach leer.“ Dem sichtlich erschütterten Angeklagten bricht am Montag vor dem Amtsgericht Starnberg die Stimme, als er sich an die erfolglose Suche nach einem 13-Jährigen erinnert, der vor über sechs Jahren beim Rudertraining im Starnberger See ertrank. Ihm und einem anderen Betreuer, die am Tag des Unfalls das Training einer Schulsportgruppe leiteten, wirft die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor.

Beide Betreuer hatten zu Beginn der Verhandlung ihr tiefes Bedauern über den Tod des Münchner Gymnasiasten zum Ausdruck gebracht. Dass unter seiner Obhut ein Kind starb, sei eine „unfassbare Tragödie“, sagte der 55-Jährige. Auch der Mitangeklagte, ein erfahrener Trainer und genau wie der 55-Jährige Mediziner, zeigte sich zutiefst betroffen. Die als Nebenklägerin auftretende Mutter des Jungen nahm dies ohne größere sichtliche Regung entgegen.

Der Vater des Kindes schilderte als Zeuge eindringlich, wie er seinen Sohn vom Training abholen wollte. Er habe hilflos am Ufer gestanden und gemerkt, dass er seinem Sohn nicht helfen könne, sagte er. Immer wieder habe er wegen der einbrechenden Dunkelheit darauf gedrungen, einen Hubschrauber anzufordern. Schließlich sei er mit einer Taschenlampe selbst losgezogen, um das Ufer nach dem Jungen abzusuchen.

Der Anklage zufolge sollen die Trainer den 13-Jährigen am 19. April 2015 angewiesen haben, allein in der Nähe des Ruderclubs zu trainieren. Sie selbst fuhren in einen anderen Teil des Sees, um andere Schüler zu beaufsichtigen. Den 13-Jährigen ließen sie dabei aus den Augen. Aus unbekannten Gründen soll der Schüler den Bereich, in dem er trainieren sollte, verlassen haben und ein Stück weit auf den See hinausgerudert sein. Den Weg zurück habe er aber wegen kräftigen Gegenwinds nicht geschafft. Daher soll der 13-Jährige das Boot verlassen und versucht haben, zum Ufer zu schwimmen. Im kalten Wasser – die Anklage geht von acht Grad aus, ein Gutachter vermutete sogar noch niedrigere Temperaturen – starb er. Seine Leiche wurde sechs Tage später gefunden. Die Anklage geht davon aus, dass der 13-Jährige bewusstlos wurde und ertrank.

Der zentrale Vorwurf gegen die Betreuer ist, den 13-Jährigen allein gelassen zu haben. Der ebenfalls als Zeuge geladene Vorstand des Ruderclubs, mit dessen Booten und von dessen Gelände aus das Training stattgefunden hatte, sagte, dass dies nicht dem Trainingsleitfaden des Clubs entspreche. Allerdings war das Training keine Veranstaltung des Vereins, sondern eine Schulsportgruppe.

Die Eltern des toten Jungen hatten jahrelang für einen Strafprozess gekämpft. Die Staatsanwaltschaft hatte die Sache ursprünglich am Landgericht München II angeklagt, das dann aber ans Amtsgericht verwies. Dort wurde der Prozess gegen Geldauflagen eingestellt. Die Staatsanwaltschaft München II und die Nebenklage legten Beschwerde ein. Der Beschluss wurde aufgehoben, nun wird in Starnberg verhandelt. Am 12. Juli soll das Urteil fallen.

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