München – In den vergangenen zehn Jahren haben bereits hunderte Wirtshäuser in Oberbayern für immer ihre Tore geschlossen. Und nach dem Corona-Lockdown dürfte sich das Wirtshaussterben weiter verschärfen. Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat dazu eine Befragung unter Mitgliedern durchgeführt. „24 Prozent der Befragten erwägen, für immer zu schließen“, sagt Frank-Ulrich John vom Dehoga Bayern. Besonders außerhalb der Ballungszentren sei das ein Problem. „Denn Wirtshäuser sind häufig auch regionale Wirtschaftsmotoren“, sagt John. Sie locken Touristen, aber auch junge Menschen, die mit dem Gedanken spielen, in die jeweilige Region zu ziehen.
Gegen das Wirtshaussterben will nun auch eine gemeinnützige, bürgerschaftliche Stiftung einen Beitrag leisten. Die Stiftung Kulturerbe sucht ein Wirtshaus mit Geschichte, um es zu kaufen, auf Vordermann zu bringen und mit neuem Leben zu füllen. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt Andreas Hänel, Vorstandsmitglied der Stiftung. Gesucht werde ein Traditionsobjekt mit Geschichte. „Ein besonderes Haus, das identitätsstiftend für den Ort und auch darüber hinaus ist“, sagt Hänel. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gasthaus schon lange leer steht oder gerade erst ein Umbruch ansteht. Es muss auch nicht unter Denkmalschutz stehen –„aber das wäre sicher auch nicht schädlich“, sagt Hänel. Hilfreich sei zudem ein bürgerschaftliches Engagement im Ort, etwa ein Freundeskreis, der sich für den Erhalt des Traditionshauses einsetzt.
Bis Ende Juli können sich interessierte Eigentümer aus ganz Bayern bei der Stiftung melden, eine Jury entscheidet mit den Stiftungsgremien über den Zuschlag. Ziel ist laut Hänel, ein Objekt zu kaufen, wieder instand zu setzen und mit einem geeigneten Pächter zu betreiben. Wie teuer das Objekt sein darf, da gibt die Stiftung keine Obergrenze vor. Entscheidend hierfür sei die Hilfe der Bevölkerung. „Wir fangen nicht bei null an“, sagt Hänel. „Aber für die Umsetzung sind wir auf Spenden angewiesen.“
Es ist der Grundgedanke der 2015 gegründeten gemeinnützigen Organisation „Kulturerbe Bayern“, die vor drei Jahren um eine Stiftung ergänzt wurde: Kulturgüter in Bayern sollen durch einen „National Trust“, also mithilfe engagierter Spender, erhalten werden. „Wir wollen zeigen, dass bürgerschaftliches Engagement auch in Bayern möglich ist“, sagt Hänel. Der ehemalige Manager aus der Solarbranche hat selbst privat schon drei denkmalgeschützte Häuser hergerichtet – und versteht das „Kulturerbe Bayern“ als von der Bevölkerung getragene Ergänzung zum staatlichen Denkmalschutz.
Zwei Projekte hat die Stiftung bereits gestartet, beide in Franken. In Rothenburg ob der Tauber laufen derzeit die Instandsetzungsarbeiten eines spätmittelalterlichen Wohnhauses aus dem Jahr 1409 mit einem historischen jüdischen Tauchbad. Und in Selb erwarb die Stiftung das Schloss Erkersreuth, die Gründungsstätte des Porzellanherstellers Rosenthal, um es einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. Mit dem Wirtshaus soll nun ein drittes Projekt folgen.
Dehoga-Sprecher Frank-Ulrich John sagt über das Projekt: „Alles, was dazu beiträgt, die Wirtshauskultur zu stärken, ist lobenswert.“ Es gebe aber auch Fallstricke: „Es gab schon Gemeinden, die ihr Wirtshaus aufwendig hergerichtet haben. Das haben sie dann zu so guten Konditionen verpachtet, dass fünf Wirte im Umkreis wegen der Konkurrenz zusperren mussten.“ Deshalb, so sein Appell, dürfe bei so einem Projekt kein Kirchturmdenken entstehen.
Bewerbungen
und auch Spenden für das Projekt sind unter www.kulturerbebayern.de möglich.