Landschaftspflege mit Panorama-Blick

von Redaktion

VON AXEL EFFNER

Unterwössen – Zählen Almbauern auch bald zu einer „bedrohten Art“, wie Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) im Rahmen der Hauptalmbegehung des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern mutmaßte? Im Rededuell mit seiner Ministerkollegin Michaela Kaniber (CSU) über den Wolf, Tierwohl und Anbindehaltung (wir berichteten) ließ der streitbare Niederbayer auch in der Bergidylle der Chiemgauer Alpen die Emotionen hochkochen.

Dies sorgte bereits am Startpunkt der diesjährigen Hauptalmbegehung auf der Agersgschwendalm für rege Diskussionen unter den mehr als 200 Almbauern. „Der Wähler am Mittleren Ring in München kennt nur den Wolf und sieben Geißlein“, sagte Unterwössens Bürgermeister Ludwig Entfellner, ebenfalls im Nebenerwerb Almbauer. Oberbayerns Almbauernchef Sepp Glatz griff Aiwangers Gedankenexperiment auf, wie die Städter wohl auf einen Wolf im Englischen Garten reagieren würden. „Bei uns ist die Alm der Garten, und zwar 365 Tage im Jahr, da müssen wir drauf aufpassen“, so Glatz. Bilde sich hier ein Wolfsrudel, „dann können wir mit der Almbewirtschaftung aufhören“.

Um dies zu unterstreichen, hatten Unterwössener Almbauern neben der Installation eines Wolfszauns ein großes Transparent mit einer fiktiven Stellenanzeige für einen Gärtner aufgehängt. Er müsste 39 000 Hektar Almweide überwachen – ohne Angst vor dem Wolf. Bürgermeister Entfellner verwies mit Stolz darauf, dass das Gebiet um den Hochgerngipfel zu den „Hotspots der Artenvielfalt“ im Alpengebiet Ostbayerns gehöre. Rund 540 Arten und 130 Neufunde konnten hier nachgewiesen werden – auch, weil das Gebiet eine der höchsten Alm-Dichten im Freistaat aufweise.

Der Besuch von fünf Almhütten auf der rund sechsstündigen Hauptalmbegehung machte deutlich, wie hart der Kampf ist, damit die Flächen nicht vergrasen, verfilzen und verbuschen. Vorbei an Windwürfen in Fichtenbeständen und durch lichten Mischwald ging es auf schmalen Pfaden zur Weitalm. Diskutiert wurde neben dem Dauerthema Wolf über den Milchpreis im globalen Wettbewerb, den Laufstallbau oder faire Preise im Lebensmitteleinzelhandel.

Bei der Rast auf der Enzianhütte genossen die Teilnehmer das Bergpanorama mit dem Blick ins Tal der Tiroler Ache. „Gerade mit Hundebesitzern haben wir immer wieder Probleme, die die Gefahren im Umgang mit den Weiderindern unterschätzen“, erzählte Thomas Schwaiger von der Lechneralm in Brannenburg beim Bier mit Kollegen.

Unterdessen erläuterte Christian Tegethoff, Almfachberater des Landwirtschaftsamts in Rosenheim, ein zusammen mit dem Ökomodell Achental realisiertes Projekt, bei dem zugewachsene Almflächen wieder nutzbar gemacht werden. Es knüpft an Weideformen mit Wildheugewinnung an der steilen Hochgernsüdflanke an, die bis in die 1960er-Jahre üblich waren. Nach Aufgabe der Mahd verbuschte das Gebiet zusehends, die Artenvielfalt sank rapide. Mit staatlicher Förderung und dem Einsatz der Almbauern als Landschaftspfleger wurden die Flächen Stück für Stück zurückgewonnen und mehr Tiere zur Beweidung aufgetrieben. Auch die Birkhuhnpopulation profitierte davon.

Leichter Nieselregen und zum Abschluss sogar Starkregen machten die Passage der schmalen Bergpfade für die mehr als 200 Wanderer anspruchsvoll. Malerische Ausblicke auf den Chiemsee oder in einzelne Täler belohnten die Mühe. Beim Abstieg beschäftigte mehrere Teilnehmer aus dem Wendelsteingebiet die Frage: Ist es gerechtfertigt, dass dem Schutz des Wolfes andere geschützte Tier- und Pflanzenarten geopfert werden, die mit dem Ende der Almwirtschaft verschwinden könnten? Eine eindeutige Antwort fanden sie nicht.

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