Peiting/Dernau – Die ganze Nacht lang bangte Dennis M. um seine Familie. Als am 14. Juli im rheinland-pfälzischen Dernau an der Ahr die Keller vollliefen, brach der 32-Jährige auf, um seinem Großvater zu helfen. Das Wasser stand bei dem 93-Jährigen schon im Erdgeschoss. Als Dennis M. zurück zu seiner Frau Julia und der eineinhalb Jahre alten Tochter Lina wollte, kam er 50 Meter vor seinem Haus nicht weiter. „Meine Kameraden von der Feuerwehr haben mich abgehalten, weil die Strömung zu stark war“, sagt Dennis M. heute.
Seinen vollen Namen will der Familienvater nicht in der Zeitung lesen. Schließlich sei das, was sie durchgemacht haben, auch unzähligen anderen passiert. Dankbar ist er heute aber für eine Initiative, die vor Kurzem in Oberbayern ins Leben gerufen wurde und die Familien, die Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz wurden, eine kostenlose Ferienwohnung zur Verfügung stellt.
„Für uns alle war es eine Nacht voller Angst: Überall hörte man schreiende Menschen, Gegenstände, die gegen Häuser knallten, und den reißenden Fluss“, erinnert sich Dennis M. „Wir dachten, es wird ein Hochwasser wie 2016. Vielleicht etwas mehr.“ Doch das Wasser stieg in jener Julinacht immer weiter. Während Dennis M. Feuerwehrfahrzeuge den Hang hochfuhr, musste Julia M. mit ihrer Tochter in den dritten Stock flüchten. Irgendwann brach das Mobilfunknetz zusammen, sodass die beiden nichts mehr voneinander hörten. Erst am Nachmittag des 15. Juli sahen sie sich wieder. Familie M. überlebte. Ihr bester Freund aber starb – so wie 133 weitere Menschen.
Dafür, die Verluste zu verarbeiten, bleibt vielen Dernauern kaum Zeit. Von 612 Häusern sind 542 zerstört. „Zuerst mussten wir den Schlamm aus unseren Häusern schaufeln und sie dann komplett entkernen“, sagt Dennis M. Die Familie ist inzwischen rund 15 Kilometer entfernt in einer kleinen Wohnung untergekommen. „Wie lange wir bleiben können, ist unklar. Aktuell heißt es, unser Haus kann stehen bleiben. Es muss aber mindestens ein Jahr trocknen, bevor wir verputzen können.“
Es sind Schicksale wie dieses, die Emanuel Gronau bewegen. Als Fotograf des Weilheimer Tagblattes besuchte er im August den Bauernhof der Familie Feldmeier in Egling (Kreis Weilheim-Schongau). Die hatte einen Aufruf gestartet: Landwirte sollten Kinder aus den Flutgebieten für ein paar Tage Ferien bei sich begrüßen. „Eine super Idee. Für Familien mit Kindern könnte man das Projekt doch in der ganzen Region noch etwas größer aufziehen“, dachte sich Gronau.
Seine Initiative „Fluthilfe Oberland“ soll nun möglichst vielen Familien Erholung ermöglichen. Dafür arbeitet er mit Sylvia Neumeier vom Verein für Bauernhof- und Landurlaub im Bayerischen Alpenland und einer Hilfsorganisation an der Ahr zusammen. „31 Familienbetreibe haben zugesagt, Betroffene aufzunehmen“, so Neumeier. „Ich war überwältigt: Auf die erste Anfrage haben sich am gleichen Tag sechs Familienbetriebe gemeldet.“ Darunter auch die Bauers vom Benihof in Peiting.
„Hätten wir Geld gespendet, hätten wir nicht gewusst, wo es landet“, sagt Sonja Bauer. Jetzt, da Familie M. zehn Tage lang in ihrer Ferienwohnung lebt, schon. Man könne sich kennenlernen. „Meinen Kindern habe ich erklärt, dass Julia mit Lina unter dem Dach saß und gebetet hat, dass ihnen nichts passiert“, sagt die 42-Jährige. „Das müssen Ängste gewesen sein, die man sich gar nicht vorstellen kann.“ Wie herzlich die Bauers seine Familie aufgenommen haben, rührt Dennis M. zu Tränen. Es sei wichtig, Abstand zum täglichen Anblick der Zerstörung zu bekommen und Zeit als Familie zu verbringen. So will er Kraft tanken – für alles, was noch kommt.
Spenden für Familien:
Bürger-Info Weilheim e.V.
Betreff:„Jugendhilfe Flutkatastrophe 2021“, IBAN: DE82703510300009113275