Es gibt Ärger im Supermarkt. Vor dem Automaten, in den man sein Leergut stecken kann, hat sich eine Schlange gebildet. Der Grund: Ein älterer Herr hebt aus einer großen Plastiktasche Flasche um Flasche, legt sie genau wie die einzelnen Dosen gemächlich in das Gerät, das am Ende dafür einen Bon mit einem kleinen Betrag ausspucken wird. Ich schätze, es werden rund zehn Euro zusammenkommen. Das lohnt sich. Aber es dauert.
Die Leute werden ungeduldig. Außerdem riecht es ein wenig streng um den Herrn herum. „Wir können da nichts machen“, sagt die Kassiererin. „Das sind Penner, die sammeln Flaschen und Dosen draußen auf und holen sich dann hier das Pfand ab.“ Die Versuchung für die übrige Kundschaft, pikiert zu sein, ist groß. Wer will schon daran gehindert werden, selber Glas, Plastik und Metall zurückzugeben und einzukaufen.
Am Altglas-Container, den ich aufsuche, um nicht Pfandwürdiges zu entsorgen, warte ich. Ein anderer Herr arbeitet sich mit einer Greifzange durch einzelne Tonnen. Die Zange sieht aus wie die, die mir der Arzt für die Zeit nach meiner beidseitigen Hüftoperation verschrieben hat. Praktisch: Man kommt, ohne sich zu verrenken, an alles am Boden und in Schränken heran. Damit im Müll zu stöbern – auf die Idee bin ich noch nicht gekommen.
Muss ich auch nicht, denn mir fehlt es an nichts. Dafür bin ich von Herzen dankbar. Auf dem Nachhauseweg, am Kirchplatz, treffe ich eine Muslima, die mit einer eleganten, unauffälligen Handbewegung alle Plastikflaschen schnappt, die sie sieht, und sich nebenbei angeregt mit ihrem Kind unterhält. Ich nehme an, sie wird ihren Fund nachher auch in einem Geschäft abgeben, um das Pfand dafür entgegen zu nehmen.
In Bayern gibt es deutlich weniger arme Menschen als im übrigen Deutschland. Das hat der Mikrozensus 2021 ergeben. Er ist die größte jährliche Haushaltsbefragung in Deutschland, die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder durchgeführt wird. Kein Grund, übermütig zu werden – schon wegen „meiner“ Pfandfreunde nicht. Im Freistaat gibt es rund 1,6 Millionen Menschen, die von Armut bedroht sind.
Neben vielen anderen sind auch Menschen ohne deutschen Pass und 22 Prozent der über 65-Jährigen von Armut bedroht. Für sie alle muss sich diese Gesellschaft etwas einfallen lassen. Und: Wer auf Straßen und in Parks Flaschen hinterlässt, ist auf Pfand nicht angewiesen. Andere sind es schon. Wenn sie dann mit ihren Aktionen den Wohlstandsmüll wegräumen, brauchen sie keine gerümpfte Nase. Sondern das Geld, das es dafür gibt, und ein dickes Danke.