„Die Angeklagte hasste ihre Eltern“

von Redaktion

Prozessauftakt im Fall des mutmaßlichen Doppelmords von Mistelbach

Bayreuth – Die Gesichter der beiden Angeklagten sind kaum zu erkennen. Das 17 Jahre alte Mädchen hat die Kapuze ihrer hellblauen Jacke tief ins Gesicht gezogen, außerdem trägt sie eine FFP2-Maske. Auch der 18-Jährige hat sich eine Kapuze aufgesetzt: Vor dem Landgericht Bayreuth hat der Prozess um den mutmaßlichen Doppelmord von Mistelbach begonnen. Oberstaatsanwalt Daniel Götz fasst in wenigen Minuten zusammen, was den beiden vorgeworfen wird: Sie sollen die Eltern des Mädchens umgebracht haben. Zugestochen haben soll der 18-Jährige. Zur Rolle der Tochter heißt es: „Die Angeklagte hasste ihre Eltern und wollte sie tot sehen.“ Nach dem Vortrag der Anklageschrift wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Erst zur Urteilsverkündung, die für Dezember geplant ist, dürfen wieder Zuhörer in den Saal.

Die beiden sollen geplant haben, die Tat in der Nacht zum 9. Januar wie einen Einbruch aussehen zu lassen. Der Freund zog sich eine Skimaske über den Kopf und ging ins Schlafzimmer, das sich im Kellergeschoss des Hauses in Mistelbach (Landkreis Bayreuth) befand. Zunächst tötete er den 51 Jahre alten Vater seiner Freundin mit Stichen in Brust-, Hals- und Gesichtsbereich, dann stach er auch auf die 47 Jahre alte Mutter ein, so dass sie starb. Währenddessen müssen sich oben im Schlafzimmerbereich der vier Kinder der Familie dramatische Szenen abgespielt haben. Denn die damals 16-Jährige sollte – so der Plan – ihre Geschwister davon abhalten, einzugreifen. Das zweitälteste Kind der Familie, inzwischen 15 Jahre alt, soll die Schreie seiner Mutter gehört haben.

Doch die Angeklagte habe jede Hilfe verhindert. Als der Angeklagte nach oben ging, sollen beide den Geschwistern Handys und Festnetztelefon abgenommen haben, so dass sie keine Hilfe holen konnten.

Den Ausschluss der Öffentlichkeit begründet die Vorsitzende Richterin Andrea Deyerling auch damit, dass die 17-Jährige als gefährdet für Selbstverletzungen gilt. Sie lebe deshalb in einem videoüberwachten Raum und sei auch bereits in einer Klinik behandelt worden. Man wolle die schutzwürdigen und privaten Interessen der beiden wahren. Als Zeugen aussagen sollen im Lauf des Verfahrens auch zwei der jüngeren Geschwister. In dieser Zeit dürfen die beiden Angeklagten nicht im Saal sein, verfügte das Gericht. Es sei eine Re-Traumatisierung zu befürchten, wenn sie wieder auf ihre Schwester und den 18-Jährigen treffen, argumentierte die Jugendkammer.

Das Interesse an dem Prozess war groß, viele Zuschauerinnen und Zuschauer wollten in den Saal. Der Wohnort der Familie hat nicht einmal 2000 Einwohner, der Schock sitzt dort immer noch tief.

Zudem war der getötete Vater ein in der Region bekannter Kinderarzt, der Anfang des Jahres mit seinem Praxis-Partner ein modernes, großes Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin eröffnen wollte. KATHRIN ZEILMANN

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