Ebersberg – Die Menschen, die zu Dietlinde Pointner oder ihren Kollegen kommen, haben meist viele Tage mit Papierkram hinter sich. Oft ist die Verzweiflung groß. Und manchmal fließen auch Tränen. „Wir haben immer Taschentücher griffbereit“, erzählt die 50-Jährige. Und die werden oft gebraucht.
Sie ist Pflegeberaterin und arbeitet im Ebersberger Pflegestützpunkt, seit der vor rund zwei Jahren eingerichtet wurde. Er ist eine Anlaufstelle für alle Menschen, die selbst pflegebedürftig sind oder ein pflegebedürftiges Familienmitglied haben. Manchmal kommen auch Nachbarn oder Freunde von Betroffenen, um sich Rat zu holen, erzählt Pointner. Und manchmal fahren die Berater auch zu den Familien nach Hause, wenn jemand nicht mobil ist.
Der Bedarf ist groß, durchschnittlich beraten sie in Ebersberg rund 150 Menschen pro Monat. „Das Thema Pflege überrollt viele Familien“, sagt die 50-Jährige. Die Probleme sind sehr individuell – genau wie die Krankheitsverläufe. Und doch beantworten die Berater häufig dieselben Fragen: An wen wendet man sich, wenn ein Familienmitglied plötzlich Pflege braucht? Welche Anträge müssen gestellt werden? Wie läuft ein Pflegegutachten ab? Welche Pflegeleistungen stehen einem zu? Wie beantragt man eine Reha?
Pointner und ihre Kollegen kennen die Nöte der Menschen. Vor allem aber kennen sie sich mit dem Pflegesystem aus und können für fast jedes Problem einen Ansprechpartner vermitteln. „Wir beraten völlig neutral und haben ein großes Netzwerk“, erklärt Pointner. Die Beratung soll so niedrigschwellig wie möglich sein. Die Pflegeberater geben die Kontakte von ambulanten Pflegediensten, Tagespflege, manchmal auch von mobilen Friseuren oder Zahnärzten weiter. „Um dieses Netzwerk so groß wie möglich zu halten, tauschen wir uns auch mit den Pflegestützpunkten anderer Landkreise aus“, sagt Pointner. In 16 oberbayerischen Landkreisen gibt es diese Einrichtungen bereits, Ziel ist ein flächendeckender Ausbau (siehe Kasten).
Manchmal ist für eine gute Beratung nur ein Telefonat nötig, erklärt Pointner. Manchmal kommen pflegende Angehörige immer wieder. Oft sind die Situationen dann so kompliziert und die Menschen so überfordert, dass auch Dietlinde Pointner sie nicht mehr aus dem Kopf bekommt. „Wir Pflegeberater haben gelernt, Distanz zu wahren“, sagt sie. Trotzdem sei es belastend, wenn sich keine gute Lösung findet. Die allermeisten wollen so lange wie möglich zu Hause gepflegt zu werden. Pointner versteht diesen Wunsch gut – aber sie kennt auch die Realität. „Es war schon vor der Pandemie schwer, einen Tagespflegeplatz zu bekommen oder einen Pflegedienst zu finden“, sagt sie. Und es ist nicht leichter geworden. „Manchmal ist es auch unser Job, Hoffnungen zu zerstören und die Menschen auf die Realität vorzubereiten.“
Aber häufiger gelingt es ihnen, eine gute Lösung für eine Familie zu finden. „Manchmal bekommen wir nach einigen Wochen noch dankbare Mails, in denen uns Familien schildern, wie sehr die Beratung geholfen hat“, sagt sie. Das sind Momente, in denen sie ihren Beruf sehr liebt.
Erst neulich wieder hatte sie einen schwierigen Fall. Eine Seniorin lebte seit 40 Jahren in einem kleinen Ort, sie war in die Dorfgemeinschaft gut integriert, ihr Sohn wohnte 45 Kilometer weit weg. Die Nachbarn berichteten ihm, seine Mutter wirke in letzter Zeit oft überfordert. Er wollte seine Mutter nicht aus ihrem Zuhause reißen, erzählt Dietlinde Pointner. Aber er wollte sie gut versorgt wissen. Deshalb wandte er sich an den Pflegestützpunkt. „Gemeinsam ist es uns gelungen, viele Akteure ins Boot zu holen und einen vernünftigen Versorgungsplan für die alte Dame aufzustellen“, sagt die Ebersbergerin. „Oft können wir sehr gut helfen, wenn das Problem noch nicht akut ist“, sagt sie. Deshalb versuchen Pointner und ihre Kollegen, das Angebot mit Flyern noch bekannter zu machen – damit sich betroffene Familien so früh wie möglich Rat und Hilfe holen.