Vom Bio-Boom in die Bio-Krise

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Lüß/Dorfen – Seine Kürbisse machen Georg Lupperger Hoffnung. Sie verkaufen sich gut. Auf diese Herbst-Umsätze hat der Landwirt aus Lüß bei Neuching im Kreis Erding gehofft. Denn in den vergangenen Wochen sind die Umsätze im Hofladen der Familie um ein Drittel zurückgegangen. Die Pandemie hatte den Luppergers viele neue Kunden beschert. Sie waren im Homeoffice, kamen mittags zum Einkaufen vorbei und kochten abends zu Hause mit regionalen Produkten. „Diesen Sommer sind viele wieder im Urlaub gewesen“, sagt Lupperger. Auch die Koch-Leidenschaft habe bei vielen wohl nachgelassen. Und leider auch die Begeisterung für hochwertige Bio-Lebensmittel.

„Viele versuchen nun zu sparen“, glaubt Lupperger. Das kann er verstehen. Auch in seinem Betrieb sind die Energiekosten deutlich gestiegen. Was er nicht versteht, ist, dass so viele Menschen beim Einkaufen wieder nur noch in die großen Supermarkt-Ketten gehen. „Die Lebensmittel sind dort nicht billiger als bei uns“, betont er. Salat und Gurken verkauft Lupperger für einen Euro das Stück, eine Tomate für 50 Cent. Eine 200-Gramm-Schale Cocktailtomaten kosten in seinem Hofladen 1,50 Euro, das Kilo Kartoffeln einen Euro. Er hat die Preise für seine Lebensmittel vor Kurzem sogar gesenkt – weil er sie nicht verderben lassen will, wenn zu wenig Kunden kommen. Trotz seiner höheren Betriebskosten. Er fürchtet, dass viele seiner Kunden nach den ersten teuren Heiz- und Stromrechnungen bei den Lebensmitteln noch mehr sparen wollen.

Diese Sorge haben auch viele seiner Kollegen. Zum Beispiel Anna Lisa Schwanner, die mit ihrem Mann den Daimer Hofverkauf in Oberding im Kreis Erding betreibt. Sie hat sich mit dem Hofladen einen großen Traum erfüllt und ihn vor drei Jahren mit viel Herzblut aufgebaut. „Mit der Pandemie kamen die Kunden“, erzählt auch sie. Und mit den gestiegenen Energiekosten verschwanden nun viele wieder. „Wir müssen für Diesel und Saatgut viel höhere Preise bezahlen“, sagt sie. „Aber wir haben es bisher geschafft, unsere Lebensmittel nicht teurer zu machen. Weil man sich regionale Lebensmittel leisten können soll.“ In ihrem Laden gibt es Kartoffeln, Zwiebeln, frisches Gemüse und Obst. Was sie zukaufen, stammt von Landwirten aus der Umgebung. „Alles ist regional und von Top-Qualität“, sagt sie. Die Kartoffeln zum Beispiel hätten einen intensiveren Geschmack als Supermarkt-Kartoffeln, schwärmt sie. Aber sie fürchtet, dass neben dem Sparzwang viele nun auch wieder Bequemlichkeit in die Supermärkte treibt. „Dort können sie alles auf einmal einkaufen.“

Auch sie und ihr Mann wollen nicht, dass ihnen die Lebensmittel schlecht werden. „Wir haben die Frischware bereits reduziert“, sagt sie. Viele Produkte konnte sie neulich auf dem Apfelmarkt in Bad Feilnbach verkaufen. Aber langfristig hofft sie darauf, dass sie ihre Kunden zurückgewinnen kann.

Nicht nur Bio- und Hofläden spüren den Sparzwang – auch einigen Unverpacktläden bleibt die Kundschaft aus. Der Unverpacktladen in Zorneding im Kreis Ebersberg steht bereits kurz vor dem Aus, weil die Fixkosten für Miete und Strom steigen, die Kunden aber ausbleiben. Die Genossenschaft, die den Laden betreibt, hat nun einen Spendenaufruf gestartet, um den Laden zu retten.

Für den Tölzer Unverpackt-Laden „Ois ohne“ laufen die Rettungsversuche bereits seit Längerem, doch die Umsätze sind nicht spürbar gestiegen. „Wir merken, dass die Menschen sparen, niemand weiß, was auf ihn zukommt“, sagt Andreas Munkert, Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Noch in diese Woche wird entschieden, ob der Laden dichtmachen muss.

Georg Lupperger indessen setzt nun voll auf den Herbst. Nicht nur seine Kürbisse gingen gut weg, auch der Kohl und alles Suppen-Gemüse wie Sellerie oder Lauch. Es werde wieder viel Eintopf gekocht, glaubt er. Schmeckt gut, ist günstig und macht satt. Auch Ingwer hat er in den letzten Wochen in großen Mengen verkauft – wohl dank der Erkältungszeit. Das hilft ihm, weiterhin optimistisch in die Zukunft zu blicken. Er sagt: „Ich glaube, dass viele Menschen großen Wert auf Gesundheit legen – und damit auf hochwertige Lebensmittel.“  (mit se/ast)

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