In Baden-Württemberg ist eine Debatte über Schulessen entbrannt. Die Stadt Freiburg hat entschieden, in Kitas und Grundschulen Fleisch vom Speiseplan zu streichen, um Geld zu sparen. Es gibt viel Kritik – vor allem von Elternbeiräten. Barbara Schömig ist Ernährungsexpertin und arbeitet für die „Frischeküche“ in Holzkirchen, die Kindergärten und Grundschulen mit täglich 2000 Essen beliefert. Sie erklärt, wie eine gesunde, ausgewogene Ernährung für Kinder aussehen sollte – und warum Verbote meist nichts bringen.
Welches Essen kommt bei Kindern am besten an?
In der Regel die fleischhaltigen Gerichte. Wenn wir ein leckeres Mehlspeisengericht anbieten, wird manchmal auch das am häufigsten gewählt. Wir bieten jeden Tag drei Gerichte an: ein vegetarisches, ein Vollkostgericht mit Fleisch oder Fisch sowie ein allergenfreies Gericht. Wenn wir ein Vollkost-Gericht mit Schweinefleisch haben, bieten wir noch eine Variante an für muslimische Kinder. Die beliebtesten Essen sind Spaghetti bolognese und paniertes Schnitzel mit Ofenkartoffeln – und Kaiserschmarrn.
Wie viel Fleisch und Fisch ist gesund?
Da schließe ich mich als Ökotrophologin der Empfehlung der Gesellschaft für Ernährung an: Man sollte maximal ein bis zweimal pro Woche Fleisch und Fisch essen. Die Menge variiert zwischen 300 und 600 Gramm pro Woche – je nachdem ob Kind oder Erwachsener.
Fehlt dem Körper was bei vegetarischer Ernährung?
Einseitige Ernährung ist in jeder Hinsicht nicht ideal – egal, ob nur vegan oder nur deftige Hausmannskost. Ideal ist eine Ernährung, die ein gesunder Mix aus vielen Lebensmitteln ist. Dazu gehören meiner Meinung nach auch Fisch und Fleisch.
Wie können Familien, die vegetarisch leben, für eine ausgeglichene Ernährung ihrer Kinder sorgen?
Die tägliche Nahrung von Kindern und Jugendlichen sollte aus 50 bis 55 Prozent Kohlenhydraten bestehen, aus 30 Prozent Fett und zehn bis 15 Prozent Eiweiß. Wenn sie das Eiweiß nicht über Fleisch, Eier oder Milch aufnehmen, können sie dafür Hülsenfrüchte, Grünkern oder Kichererbsen oder Sojaprodukte essen. Am besten nimmt der Körper aber tierisches Eiweiß auf. Bei einer rein veganen Ernährung müssen deshalb bestimmte Nährstoffe wie das Vitamin B12 ergänzt werden. Von einer veganen Ernährung für Kinder unter drei Jahren raten Experten allerdings ab.
Und bei älteren Kindern?
Dann müssen sich die Eltern sehr genau mit der Ernährungszusammensetzung befassen – und neben B12 gegebenenfalls auch Eisen, Zink, Jod oder sonstige Spurenelemente durch Nahrungsergänzungsmittel einplanen. Der Körper kann sie nicht selbst produzieren. Das würde sonst zu Mangelerscheinungen führen. B12 braucht der Körper beispielsweise für die Blutbildung, aber auch für das Wachstum.
Viele Kinder würden sich wohl eher für das Schnitzel entscheiden als für Gemüse, wenn sie eine Wahl haben. Wie kann es gelingen, Lebensmittel beliebter zu machen?
Essen an Schulen ist keine reine Nahrungsaufnahme. Es soll Spaß und zufrieden machen. Das gelingt in der Regel nicht mit Zwang oder Verboten, man muss die Kinder mitnehmen, sie zum Beispiel in die Speisenauswahl einbinden. Auch das Gesamtkonzept muss stimmen – also zum Beispiel die Atmosphäre in der Mensa. Es ist wichtig, dass es auch Gerichte gibt, auf die sich alle freuen. Aber es ist gar nicht so schwierig, vegetarische Gerichte einzuführen. Wir bieten manchmal zum Beispiel Soja-Bolognese an. Geschmack und Optik erinnern die Kinder an Fleisch-Bolognese, das funktioniert. Studien zeigen, dass man Kindern acht bis 15 Mal ein Gericht anbieten muss, damit sie es akzeptieren.
Ist die Freiburger Idee, gar kein Fleisch mehr anzubieten, der falsche Weg?
Aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht. Denn die empfohlenen ein bis zwei Fleisch-Mahlzeiten pro Woche können die Kinder auch zu Hause essen. Die Frage ist aber, ob man die Kinder mit dem Zwang zu fleischlosem Essen glücklich macht. Ich rate eher dazu, Ernährungscoaches einzubeziehen und ein gutes Gesamtkonzept zu finden, mit dem alle zufrieden sind. Wichtig ist, dass wir Kindern gesunde Gerichte anbieten, die sie auch essen. Es ist nicht nachhaltig, wenn wir am Ende das Essen wegwerfen müssen.
Sind Verbote kontraproduktiv, um Kindern zu helfen, eine bewusste Ernährung zu erlernen?
Generell ist unser Fleischkonsum zu hoch – weltweit. Ich glaube aber, dass mit Zwang und Verboten wenig erreicht wird. An vielen Schulen, die wir beliefern, gibt es zum Beispiel nur noch einmal die Woche Fleisch. Einige Einrichtungen, die wir beliefern, wählen auch nur die vegetarischen Gerichte aus unserem Angebot. Das ist eine eher neue Entwicklung, wir bemerken das seit Beginn der Pandemie.
Wie sehr wird in Kindheit und Jugend ein gesunder Ernährungsstil geprägt?
Es ist wichtig, Kinder an eine gesunde Ernährung heranzuführen. Wir alle essen definitiv zu wenig Obst und Gemüse. Viele Kinder werden den ganzen Tag betreut – dann findet Ernährung zum Großteil in Kitas und Schulen statt. Es gibt bereits viele Programme, zum Beispiel das Projekt Schulobst. Denn Kinder sollten täglich drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten essen. Auch das gehört zur gesunden Ernährung.
Interview: Katrin Woitsch