München – Auf der Beklagtenseite klappen die Münchner Verteidiger Michael Ellersbeck und Julia Wintersberger ihre Laptops auf. „Ich habe nur noch 18 Prozent Akku“, moniert Ellersbeck. Eine Steckdose gibt es im Verhandlungssaal E.37 am Oberlandesgericht für ihn keine – Kläger-Anwalt Stefan Brandmaier kontert: „Wir verhandeln so lange, bis Sie auf dem Trockenen sitzen.“
Der Ton zeigt schon, dass die Stimmung zwischen den Parteien über die vergangenen vier Jahre nicht besser geworden ist. Am 2. Juli 2018 spazierte die Schlierseerin Maria K. gemeinsam mit ihrem inzwischen verstorbenen Lebensgefährten von der Neureuth zur Gindelalm im Kreis Miesbach. „Wir wollten abschalten, den Ausblick auf den Tegernsee genießen“, sagt die 77-Jährige. Sieben Kühe standen frei am Wegesrand. „Sie haben neugierig geschaut, wir haben noch gescherzt“, sagt K. Sie war schon an dem Tier vorbei gewandert, da stieß die freilaufende Jungkuh die Frau um, sodass sie einen Meter weit in die Gülle fiel und ihren Lebenspartner mitriss.
K. erlitt damals Prellungen und einen Schock, sie forderte Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 6327 Euro. Ihre Klage am Landesgericht war in erster Instanz abgewiesen worden, jetzt gingen K. und Brandmaier in Berufung.
„Die Alm ist ein Generationenprojekt“, sagt die Beklagte Annelies G. „Ich arbeite gern dort oben.“ Doch in den letzten 30 Jahren habe sich durch den Tourismus viel verändert. „Mir ist klar, ich lebe davon. Aber es passiert viel –und zum Glück landet das Wenigste vor Gericht.“ So gebe es immer wieder Fahrradunfälle im Gelände, ganze Wandergruppen setzten sich auf geschichtete Holzstapel, manche Spaziergänger ließen ihre Hunde in schlafende Kuhherden laufen. „Die Besucher können mir immer einen Strick daraus drehen, egal, wie viele Warnschilder ich aufstelle.“ Dem widersprach Brandmair: „Sie haben nicht sorgfältig genug gehandelt.“ Sie hätte auffällige Kühe aus der Herde zu entfernen. G.s zweite Verteidigerin Julia Wintersberger betonte: „Es geht uns darum, dass nicht jeder Wanderer ein solches Verfahren anstrengt.“
Richter Thomas Steiner stellte sich auf die Seite der Almwirtin: „Die Umstände kann man nicht beanstanden. Sie haben alles getan, was nötig war.“ Er wies die Berufung ab und schlug der Klägerseite vor, auf Rechtsmittel zu verzichten. „Wir verzichten auf gar nichts“, antwortete Brandmaier. Annelies G. ist nun erst mal froh, dass der Trubel vorüber ist. Ab 1. November geht ihre Alm in die Winterpause. TINA SCHNEIDER-RADING