Anton Mayer packt das „Pferdevirus“
Anton Mayer feiert heuer ein besonderes Jubiläum: Zum 50. Mal nimmt der 66-Jährige aus Bad Tölz an der Leonhardifahrt teil – Ehrensache und Familientradition. Schon mit 13 Jahren fuhr er mit einem Pony-Gespann hinauf auf den Kalvarienberg zur Leonhardkapelle. „Mein Kindheitstraum war, auch mal ein so großes Gespann wie mein Onkel zu fahren“, sagt Mayer. „Das Pferdevirus hat mich einfach gepackt.“
Auf seinem Manghof hält Mayer heute acht Haflinger – vier ziehen zu Leonhardi seinen prächtigen Truhenwagen. Die drei Jahre alte Haflinger-Dame Queena ist heuer zum ersten Mal dabei. Seit Monaten trainiert Mayer mit ihr. „Wir fahren durch das ganze Dorf, damit sich die Pferde an das Geschirr gewöhnen und lernen, miteinander zu arbeiten.“ Dabei fährt Mayer bewusst Hügel oder Zäune, hinter denen Hunde bellen, oder Baustellen an. „Sie müssen auch da gelassen bleiben.“
Nach dem vielen Trainieren ist Mayer gut vorbereitet. Um halb drei Uhr morgens wird er am Montag aufstehen. Seine Frau schmückt die Haflinger-Damen nach dem Füttern mit Almrausch und flechtet ihre Mähnen.
Tölz: Neue Regeln für Leonhardi-Fahrt
Früher konnten die Zuschauer der Leonhardi-Fahrt in Bad Tölz oft spektakuläre Szenen bestaunen: Da galoppierten die Pferde auf der Rückfahrt vom Kalvarienberg die steile Marktstraße entlang. Der wilde Galopp ist aus Sicherheitsgründen seit Jahren verboten – jetzt hat die Stadt die Regeln nochmals verschärft: Schritttempo ist angesagt.
Vernunft und Sicherheit gehen vor, sagt die Tölzer Tourismus-Chefin Susanne Frey-Allgaier: Als Kind habe sie erlebt, wie die Wagen in schnellem Tempo die Marktstraße raufgefahren sind, aber die Straße sei eben für jeden Fuhrmann eine große Aufgabe. „Wir hatten mehrmals einfach nur Glück, dass nichts passiert ist.“ Neu ist auch, dass die größte Pferde-Wallfahrt heuer an einem Montag stattfindet. Nach der Erfahrung mit Besuchermassen und ausuferndem Alkoholkonsum bei einer samstäglichen Fahrt beschloss der Stadtrat 2020, die Fahrt nie mehr am Wochenende zu veranstalten.
Kreuth: Bäuerinnen suchen Fuhrmann
Drei Tage vor Abfahrt hatte Nina Bartl es mit einem echten Leonhardi-Notfall zu tun: Der Fuhrmann, der die Gmunderin und elf weitere Frauen aus der ganzen Region am Sonntag auf der Leonhardifahrt in Kreuth (Kreis Miesbach) kutschieren sollte, verletzte sich an der Hand.
Auf Facebook setzte die 34-Jährige einen Hilferuf ab: „Wer kann helfen? Zwölf fesche Miada-Dirndln und Schalk-Weiber sind verzweifelt.“ Über Nacht bekam Bartl 81 Nachrichten. „Ich bin fast umgefallen. Ich habe jetzt Kontakte bis nach Hessen und Tirol“, sagt sie und lacht. „Wir sind die nächsten 100 Jahre nie mehr ohne Fuhrmann.“ Ein großes Glück. Immerhin will Bartl in Kreuth, bei der ältesten Leonhardi-Fahrt überhaupt, mitfahren, bis sie, wie sie scherzt, im Grab liegt.
Leonhard, der liebste Heilige der Bayern
„Leonhardifahrten sind ein uralter Brauch“, sagt Michael Ritter vom Landesverein für Heimatpflege. Die Wallfahrtsritte, auf denen Bauern ihr Vieh segnen lassen, fanden schon im Mittelalter statt. „Tiere sicherten die Ernte und somit das Überleben der Familie.“ Der Heilige Leonhard galt ursprünglich als Schutzpatron aller Gefangenen. „Er wurde mit Ketten dargestellt, die die Leute mit der Zeit in Viehketten uminterpretierten.“ Der Heilige Leonhard steht seitdem für den Schutz der Tiere und wird „Bauernheiliger“ aber auch der „Bayerische Heilige“ genannt. C. SCHRAMM, ANDREAS STEPPAN