München – Der 36-Jährige fiel dem Prüfer auf, weil er die Fragen leise vor sich hin nuschelte. Erst auf den zweiten Blick war zu erkennen, wieso: Der Mann war verkabelt. Er las einem Unbekannten die Führerschein-Fragen vor, der gab ihm aus der Ferne heimlich die richtigen Antworten durch. Oder zumindest das, was er für die richtigen Antworten hielt. Letztendlich hatte der Prüfling satte 40 Fehlerpunkte gesammelt – 30 mehr als erlaubt, um zu bestehen. So weit wäre es aber sowieso nicht gekommen. Als der Prüfer den Schwindel bemerkte, verständigte er die Polizei. Die Prüfung war für den Mann sofort beendet.
Dieser Vorfall hatte sich Ende August in Ergolding im Kreis Landshut ereignet. Und es war kein Einzelfall. Im Sommer war es immer wieder zu Betrugsversuchen bei der Führerscheinprüfung gekommen. Die Polizei ging sogar davon aus, dass die Hintermänner im gewerblichen Bereich anzusiedeln sind.
Auch der TÜV stellt fest, dass die Zahl der Betrugsversuche gestiegen ist. Bei den Theorieprüfungen gab es in den ersten neun Monaten dieses Jahres 2711 Fälle – 38 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. „Immer mehr Fahrschüler versuchen, sich ihre Prüfung auf illegale Weise zu erschleichen“, sagt Richard Goebelt, Fachbereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband. „Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer weitaus größer ist.“ Ein Drittel der Betrugsversuche sind sogenannte Stellvertreterprüfungen, bei denen anstelle des Fahrschülers eine andere Person die Prüfung antritt. Bei einem weiteren Drittel der Fälle werden technische Hilfsmittel wie Handys oder Kameras eingesetzt. Und beim letzten Drittel wird der klassische Spickzettel genutzt.
Die Bundesregierung hatte 2022 bereits schärfere Sanktionen gegen Betrüger bei Führerscheinprüfungen erlassen. Die Behörden können aufgeflogene Betrüger bis zu neun Monate für den nächsten Versuch sperren. Praktiziert wird das allerdings in Bayern nicht, sagt Jürgen Kopp, der Vorsitzende des Bayerischen Fahrlehrerverbands. „Die Prüfung wird als durchgefallen gewertet“, erklärt er. Zusätzlich können die Prüfer noch die Polizei informieren. Seit Anfang des Jahres ist es bundesweit laut TÜV 337 Mal dazu gekommen. Rein rechtlich handelt es sich aber weder um Betrug noch um Urkundenfälschung.
Nicht nur die Zahl der Betrugsfälle ist gestiegen – sondern auch die Durchfallquoten. In den ersten neun Monaten dieses Jahres fielen 42 Prozent der Fahrschüler durch die theoretische Prüfung (ein Plus von vier Prozent im Vergleich zu 2022). Bei der praktischen Fahrprüfung liegt die Quote bei 30 Prozent. Die Gründe sind laut Goebelt vielfältig. Eine zentrale Ursache sei der komplexer und dichter werdende Straßenverkehr mit immer mehr Fahrzeugen. Das sieht Fahrlehrer Jürgen Kopp anders. „Der komplexe Verkehr erklärt höchstens die Durchfallquote bei der praktischen Prüfung“, sagt er. Die Digitalisierung der Fahrschulbögen habe die Fragen komplexer gemacht, berichtet er. „Reines Auswendiglernen ist nicht mehr möglich.“ Eine Erklärung für die gestiegene Durchfallquote sieht Kopp auch darin, dass viele Nicht-EU-Bürger an der theoretischen Prüfung teilnehmen, um ihren Führerschein in Deutschland anerkennen zu lassen. Die meisten machen das, ohne Unterricht zu nehmen – dabei scheitern viele. In den Fahrschulen würden die Schüler gut auf die Theorieprüfungen vorbereitet, betont Kopp. Es gebe hervorragendes Lernmaterial. „Aber lernen muss man eben immer.“