München – Ein starkes Zeichen Münchens für den Frieden hätte es werden sollen – aber nach viel Kritik wurde das geplante interreligiöse Friedensgebet auf dem Marienplatz gestern Nachmittag kurzfristig abgesagt. Zwar fanden sich am Abend dennoch rund 150 Menschen, darunter auch Imam Benjamin Idriz, auf dem Marienplatz ein. Mit einer Kerze in der Hand las der Geistliche ein Gebet vor, danach sagten auch einzelne Teilnehmer Friedensgebete auf. Doch eigentlich sollten bei der Veranstaltung, die auf Initiative von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und des Muslimrates ins Leben gerufen wurde, auch Vertreter der jüdischen, katholischen und evangelischen Religionsgemeinschaften teilnehmen.
Ziel sei es gewesen, „in dieser hochemotionalen Zeit“ zu deeskalieren und den „Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft zu stärken“, teilte der OB gestern Nachmittag mit. Allerdings: „Es war Voraussetzung für die Übernahme meiner Schirmherrschaft, dass auch ein Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft ein Gebet spricht. Das ist nun leider nicht mehr der Fall“, schrieb Reiter. „Das bedauere ich, habe aber auch Verständnis dafür. Die Zeit ist derzeit offenbar nicht reif, um in und für München ein gemeinsames Friedensgebet zu ermöglichen.“
Sprechen sollten neben Reiter und Rabbiner Jan Guggenheim auch Dompfarrer Monsignore Klaus Peter Franzl, Imam Benjamin Idriz und Landesbischof Christian Kopp. „Wir hatten unsere Teilnahme am Friedensgebet auf Basis der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Dieter Reiter und der Teilnahme eines Vertreters der Israelitischen Kultusgemeinde München zugesagt. Nachdem nun beides nicht mehr gegeben ist, nehmen wir die Absage des Friedensgebets mit Bedauern zur Kenntnis“, teilte ein Sprecher des Landeskirchenamts der Evangelisch-Lutherischen Kirche mit.
Die Absage des Friedensgebets kam in Form einer Mitteilung des Forums für Islam im Namen des Muslimrats: „Die Intention war ausdrücklich, sich zum Miteinander der Religionsgemeinschaften zu bekennen. Leider wurde durch kurzfristige Absagen von jüdischer, evangelischer und katholischer Seite dieser Intention die Grundlage entzogen.“ Wann, wenn nicht jetzt, müssten alle Kräfte dafür aufgebracht werden, dass man einander gegenseitig achte, wertschätze und ernst nehme. „Dass dies in München nicht möglich sein soll, bleibt eine sehr bittere Erfahrung, nicht nur für Muslime.“
Im Vorfeld war Kritik an der Veranstaltung laut geworden, etwa von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) und dem Linken Bündnis gegen Antisemitismus. Das Bündnis hatte dem Muslimrat „Nähe zu islamistischen Gruppierungen wie DITIB, Millî-Görü und der Muslimbruderschaft“ vorgeworfen.
Volker Beck, Präsident der DIG, begrüßte die Absage und nannte den Muslimrat den „falschen Partner der Stadt“. „An sich ist es ein schöner Gedanke, wenn Muslime, Christen und Juden gemeinsam für Frieden beten. Freilich ist nicht jede Friedensbotschaft per se unschuldig und tatsächlich friedlich.“ Es sei kein Frieden, wenn man Angegriffene und Angreifer auf eine Stufe stelle.
Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, begrüßte die Absage. Die offenen Fragen der letzten Tage hätten gezeigt, dass diese Veranstaltung in ihrer geplanten Form nicht die richtigen Signale würde aussenden können.