München – Vor einigen Wochen haben sich die kommunalen Spitzenverbände mit einem Brief an das Innen- und das Sozialministerium gewandt. Auf sechs Seiten formulierten sie einen Appell: Die vom Bund bereitgestellten Mittel für die Flüchtlingskosten müssen gerecht zwischen Freistaat und Kommunen verteilt werden, damit die Kommunen handlungsfähig bleiben und die Geflüchteten erfolgreich in die Gesellschaft integriert werden können. In dem Schreiben betonen sie: „Die bisher zur Verfügung gestellten Finanzmittel reichen nicht aus, um diese Aufgabe langfristig und erfolgreich zu bewältigen.“ Gestern trafen sich die Ministerpräsidenten in Berlin mit dem Kanzler – auch um mehr Geld für die Flüchtlingsversorgung zu verhandeln. Hilfeschreie aus Landkreisen und Gemeinden gibt es seit Monaten – Bayern lässt sich allerdings viel Zeit damit, die Hilfen aus Berlin weiterzugeben.
Schon im Dezember 2022 hat der Freistaat 79 Millionen aus Berlin abgerufen. Der Bund hat 3,5 Milliarden Euro an gesonderten Umsatzsteuermitteln für die Unterstützung der Länder bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten, insbesondere aus der Ukraine, zur Verfügungs gestellt. Der Anteil pro Bundesland berechne sich nach der Einwohnerzahl, erklärt ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Die meisten Bundesländer haben diese Mittel schnell ausgezahlt. Die Staatsregierung hatte dafür erst das Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze geändert. Das sei nötig, um das Geld zielgenau entsprechend der Belastungen zu verteilen, begründete die CSU diese Entscheidung. Die Grünen hatten das bereits Anfang des Jahres massiv kritisiert und warfen der Staatsregierung vor, das Thema für politische Stimmungsmache gegen die Ampel-Regierung in Berlin zu nutzen. Auch vonseiten der SPD gab es Kritik.
Mitte Juni trat die neue Verordnung in Kraft, das Geld wurde ausgezahlt. „Allerdings nicht 79 Millionen Euro, sondern nur 36,17 Millionen – das ist weniger als die Hälfte“, ärgert sich die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler. Sie hatte deswegen schon im Juli nachgehakt und erst nach einer Beschwerde Ende August diese Zahlen aus dem Sozialministerium bekommen. „Alle anderen Bundesländer haben das Geld vollständig weitergeleitet“, betont sie. Sie wirft der Staatsregierung vor, Bundeshilfen zu bunkern und damit die Stimmung in Bayern bewusst anzuheizen.
Bayerns Sozialministerium betont, dass die Belastungen für die Unterbringungen der Geflüchteten aus der Ukraine mit den rund 36 Millionen Euro vollständig ausgeglichen seien. Das Geld aus Berlin sei dafür zweckgebunden. Für die fehlende Passgenauigkeit der Summe sei die Bundesregierung verantwortlich, betont das Ministerium. Die noch nicht ausgezahlten knapp 43 Millionen Euro sollen ebenfalls zur Erstattung kommunaler Belastungen bei der Flüchtlingsunterbringung verwendet werden. Sie wurden in den nächsten Haushalt übertragen und würden zum nächstmöglichen Abrechnungszeitpunkt ausgezahlt. Wann das sein wird, ließ das Ministerium offen. Darüber müsse im Landtag entschieden werden.
Claudia Köhler spricht von Verschleppungstaktik und ärgert sich maßlos über Bayerns Umgang mit den Hilfen. Nur durch die Gesetzesänderung im Juni habe Bayern die Hilfen auf die Unterbringungskosten eingeschränkt. Das Geld könnte aber auch an Träger oder Behörden fließen, die dabei helfen, die Unterbringung zu organisieren, erklärt Köhler. Andere Bundesländer hätten das so gemacht. „Viele Kommunen mussten Stellen schaffen – auch um die vielen Menschen beraten zu können. Sie brauchen das Geld jetzt.“
Andrea Betz, die Vorstandssprecherin der Diakonie München und Oberbayern, kämpft schon lange dafür, dass die Beratungsangebote für Flüchtlinge ausgebaut werden. „Es müssten auch dringend mehr Stellen geschaffen werden, um die Abschlüsse von Geflüchteten anerkennen zu lassen“, sagt sie. Dadurch könnten die Menschen schneller Arbeit finden und wären nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen. Auch das Angebot von Integrationskursen und Eingliederungshilfen für Schule oder Kindergarten könnte damit ausgebaut werden. Für sie ist schwer nachvollziehbar, dass es Hilfen gibt, die nun erst mal im Haushalt landen, weil Bayern keinen Weg findet, sie dort einzusetzen, wo sie gerade gebraucht werden.