Das geht ja gut los … – kaum haben die Verhandlungen zwischen Bahn und GDL begonnen, wird auch schon gestreikt. So sehen das viele, die auf Schienen reisen. Sind die Forderungen gerecht? Oder sind die Lokführer schlichtweg gierig? Fragen, die am Verhandlungstisch hitzig diskutiert werden, und die tausende Pendler umtreiben
Der Tarifkonflikt
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) fordert im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn (DB) ein Lohn-Plus von 555 Euro im Monat und eine Inflationsprämie von 3000 Euro. Knackpunkt ist die Forderung, dass Schichtarbeiter statt 38 Stunden nur noch 35 Stunden pro Woche arbeiten. Das hält die DB für nicht realisierbar. Ihr Angebot: eine elfprozentige Entgelterhöhung, allerdings bei einer Laufzeit von gleich 32 Monaten. Dazu hat die Bahn eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro in Aussicht gestellt.
GDL-Chef Claus Weselsky lehnte ab. Die Fronten sind verhärtet. Die DB sagte wegen des Streiks gestern die zweite Tarifverhandlungsrunde ab. Sie war eigentlich für Donnerstag und Freitag geplant.
Der Streik
Die GDL ruft ihre Mitglieder zu einem 20-stündigen Warnstreik auf: Seit Mittwoch (22 Uhr) bis Donnerstagabend (18 Uhr) muss mit flächendeckenden Zugausfällen in Bayern gerechnet werden. Die Einschränkungen können sich bis Freitagfrüh hinziehen. Betroffen sind vor allem alle DB-Verbindungen in Bayern, also sämtliche Regionalbahnen (RB), Regionalexpresse (RE), Intercitys (IC) und die ICE-Verbindungen. In Norddeutschland sind noch weitere Bahnen zum Streik aufgerufen, etwa die Beschäftigten der Transdev-Unternehmen Hannover, Regio Ost und Rhein-Ruhr. Die DB weist darauf hin, dass Fahrgäste, die ihre für den 15. oder 16. November geplante Reise streikbedingt verschieben möchten, ihr Ticket zu einem späteren Zeitpunkt nutzen können. Die Zugbindung sei aufgehoben. Die Fahrkarte gelte dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen könnten kostenfrei storniert werden.
Die S-Bahn
Auch im S-Bahn-Verkehr wird gestreikt. Aber: „Die S-Bahn strebt weitgehend einen Stundentakt auf den S-Bahn-Linien an, beziehungsweise einen 20-Minuten-Takt auf der S8 zum Flughafen“, sagt eine Bahn-Sprecherin. Details sollen in der Fahrplanauskunft und weiteren Informationskanälen (Webseite, Streckenagent) verfügbar sein: S-Bahn-muenchen.de/aktuell – darüber hinaus ist eine kostenlose Streikhotline unter 08000 99 66 33 eingerichtet.
BRB und Go-Ahead
Nicht zum Streik aufgerufen sind die insgesamt 850 Mitarbeiter der Bayerischen Regiobahn (BRB) mit ihren Netzen Meridien, Oberland und Ammerseebahn. Die BRB ist nach der DB die zweitgrößte Bahn im Freistaat. Laut einer Sprecherin müssen Fahrgäste aber mit Einschränkungen rechnen. „Es kann zu Zugausfällen kommen, weil bei der DB Netz AG auch die Fahrdienstleiter angestellt sind. Wenn Fahrdienstleiter streiken, können wir auf diesen Streckenabschnitten nicht fahren“, erklärt sie. Es ist unklar, wie viele Fahrdienstleiter streiken – die meisten sind bei der Konkurrenzgewerkschaft EVG organisiert.
Die Bahnunternehmen Agilis, Go-Ahead Bayern und die Länderbahn (alex) sind nicht direkt an den Tarifverhandlungen beteiligt. Auch die Züge des österreichischen Bahnanbieters Westbahn fahren laut Unternehmen ab München nach Fahrplan. Die Westbahn fahre fünf Mal pro Tag von München über Salzburg und Linz nach Wien. Interessant für Pendler: Unterwegs halten die Züge außerdem in Rosenheim.
Fernverkehr
Bei der DB hat man einen Notfall-Fahrplan „mit einem stark reduzierten Angebot an Fahrten“ erarbeitet. Etwa 20 Prozent der Verbindungen sollen trotz Streik bedient werden. Hintergrund: Manche ICE-Lokführer sind Beamte, sie müssen arbeiten. Zusätzlich plane man bei den wichtigsten ICE-Strecken, wie etwa Hamburg-München via Köln und Frankfurt, mit einem XXL-ICE zu fahren.
Kritik vom OB
„Ich glaube, hier schießt die Lokführergewerkschaft im Tonfall und der Streikankündigung übers Ziel hinaus“, kommentiert der Münchner OB Dieter Reiter (SPD) den Streik. Das Angebot der Arbeitgeber als „Unverschämtheit“ zu bezeichnen sei „nicht hilfreich, wenn die Verhandlungen gerade erst angefangen haben. Und das Angebot der Arbeitgeber wäre aus meiner Sicht durchaus eine Basis gewesen, weiter zu verhandeln. Streik sollte allerletzte Mittel sein.“ dap/dw/ska