Ehering lag über 50 Jahre auf dem Feld

von Redaktion

VON MICHAEL ACKER

Hohenlinden – Tom Gottmann ist Sondengeher. Mit seinem Metalldetektor sucht der Kripobeamte aus Forstinning (Kreis Ebersberg) in seiner Freizeit nach metallischen Gegenständen wie Münzen oder Patronenhülsen. „Ein Hobby, bei dem man viel an der frischen Luft und in Bewegung ist, aber eher sehr selten einmal etwas Nennenswertes findet“, sagt der 50-Jährige. Doch dann findet Gottmann auf einem Acker bei Hohenlinden „einen echten Schatz“: Ein Ehering aus Gold blitzt da plötzlich im umgepflügten Feld auf.

Am 29. Oktober war das, danach lässt der Spürsinn dem Polizisten keine Ruhe mehr. Wem gehört der Ring? Lebt die Person noch? Ein Ehering ist für Gottmann „ein so wichtiger und bedeutsamer Gegenstand im Leben eines Menschen, dass es mir ein Anliegen war, die Geschichte dieses Ringes selbst herauszufinden“, sagt er – eine Geschichte, die 1964 in Hohenlinden begann und fast 60 Jahre später ihren krönenden Abschluss findet.

Der Reihe nach: Der Ehering aus 585er-Gold hat auf der Innenseite eine Gravur. „Georg 25.4.64“ steht da. Gottmann überlegt zunächst, den Ring im Fundbüro der Gemeinde abzugeben. Doch: „Das hätte bedeutet, dass der Ring dort eingelagert und vermutlich einfach nach Ablauf der gesetzlichen Wartezeit wieder an mich herausgegeben worden wäre.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass dort die Verlustanzeige einer Frau hinterlegt ist, die dem Hochzeitsdatum nach wohl um die 80 sein müsste und den Ring vermutlich schon vor langer Zeit verloren hat, hielt er für gering.

Gottmann vermutet, dass die Frau aus Hohenlinden oder Umgebung sein könnte. Gottmann macht sich auf den Weg zum Standesamt, wo ihm nach einem Blick ins Archiv bestätigt wird, dass am 25.4.1964 eine Eheschließung zwischen Georg Hupfauer und Anna Seisenberger vermerkt ist. „Dies war umso interessanter, als dass die Familie Hupfauer im Bereich Hohenlinden viel Grund besessen hatte – so ist dort mit dem Hupfauer Anger sogar eine Straße benannt.“

Ob dies tatsächlich die Hochzeit gewesen war, für die der Ring angefertigt worden war, und ob diese Anna somit die Eigentümerin ist? Das war erst nicht zu klären. „Weder eine aktuelle noch eine frühere Anschrift von ihr war ermittelbar, und somit auch nicht, ob sie überhaupt noch am Leben sein könnte“, so Gottmann, der sich in einer Sackgasse wähnte.

Doch dann fällt seiner Frau eine Bekannte aus Hohenlinden ein, die ebenfalls Hupfauer und mit Vornamen Gabi heißt. Gottmann nimmt Kontakt auf. Tatsächlich ein Treffer: Anna ist die 81-jährige Schwiegermutter von Gabi. Und: sie lebt. Gottmann sagt: „Gabis Mann Robert konnte sich noch daran erinnern, dass seine Mutter einmal ihren Ehering verloren hatte.“

Der Finder nimmt Kontakt zu Anna auf und erfährt die ganze Geschichte von ihr persönlich: Anna hatte 1964 Georg Hupfauer geheiratet und mit ihm mehrere Kinder bekommen. Sie hatte ihren Ehering tatsächlich auf diesem Grundstück verloren. Trotz langer Suche fand sie ihn damals nicht mehr, sie ließ sich schließlich einen neuen anfertigen. Georg Hupfauer war bereits 1974 mit nur 42 Jahren gestorben. Anna heiratete später erneut und zog – nun unter dem Ehenamen Gappmair – zusammen mit ihrem Mann und den Kindern in den Pongau nach Österreich. Ihr Sohn Robert, der Mann von Gabi, war bereits in jungen Jahren zurück nach Hohenlinden gezogen.

Als Anna Gappmair erfährt, dass ihr Ehering nach über einem halben Jahrhundert gefunden wurde, ist sie zu Tränen gerührt und kann „so viel Glück“ gar nicht fassen, wie sie unserer Zeitung sagt. Sie wird ihn in gut zwei Wochen zurückbekommen, wenn ihr Sohn die Verwandten in Hohenlinden besucht. Der Ring geht dann nach Österreich – zusammen mit einem Brief, den der Sondengeher Tom Gottmann Anna geschrieben hat.

Artikel 2 von 11