Scientology auf Mitglieder-Werbung

von Redaktion

Die Broschüre sieht aus wie eine Anti-Drogen-Kampagne. Doch dahinter steht eine Tarnorganisation von Scientology. In München hat die Organisation in der Beichstraße in Schwabing ihren Sitz. © Marcus Schlaf

München – „Fakten über Drogen“ steht auf den Heftchen. Sie werden seit einigen Monaten in der Münchner Innenstadt verteilt. Oder liegen in Apotheken und Geschäften aus – teilweise wissen die Inhaber nicht, wen sie damit unterstützen. Ausführlich wird in den Heften erklärt, wie Drogen wirken – um sich selbst und Freunde zu schützen, heißt es. Doch hinter dieser Anti-Drogen-Kampagne steht nicht nur der Münchner Verein „Sag Nein zu Drogen – sag Ja zum Leben“. Sondern auch Scientology.

Der Verfassungsschutz stuft den Verein als Tarnorganisation ein – und warnt davor. Denn offenbar geht es den Mitgliedern nicht nur um Drogenprävention und Aufklärung. „Hauptmotiv dieser Kampagne dürfte es sein, vor dem Hintergrund der Cannabis-Legalisierung insbesondere junge Menschen anzusprechen“, erklärte der Verfassungsschutz im Sommer, als die Scientology Kirche Deutschland die Aktion in einer Pressemitteilung beworben hatte. Der Verein sei der deutsche Ableger der Initiative Foundation for a drug-free world, erklärt Verfassungsschutz-Sprecher Florian Volm. „Er verschleiert, dass er Scientology zuzurechnen ist.“ Im Impressum seiner Web-Seite erwähne der Verein lediglich, dass er von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet wurde. „Führende Mitglieder des Vereins sind jedoch bis heute aktive Scientologen“, sagt Volm. Auf der englischsprachigen Seite der Foundation hingegen steht explizit, sie sei mit Stolz gesponsert von der Scientology Kirche.

Der Verein betont auf Nachfrage unserer Zeitung, er verstehe sich als Teil der internationalen Antidrogen-Bewegung. Dass die Foundation for a drug-free world von der Scientology-Kirche unterstützt werde, sei auf dem Scientology-eigenen Internet-TV-Kanal und in Publikationen ersichtlich. „Das reicht doch“, schreibt die Vize-Präsidentin des Vereins, Laura Kochsiek. Auch dass sich im Vorstand des Vereins Scientologen befinden räumt sie ein. „Ich bin Scientologin. Und das ist auch gut so.“ Das Drogenpräventionsmaterial sei aber nicht von Scientology oder einer anderen Religion geprägt. „Kontakte, die durch unsere Präventionsarbeit entstehen, werden selbstverständlich nicht an Dritte weitergegeben, auch nicht an die Scientology Kirche.“

Scientology wird seit 1997 vom Verfassungsschutz beobachtet und offiziell als Sekte eingestuft. In Bayern hat Scientology rund 1300 Mitglieder. Programm und Aktivitäten der Organisation seien mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar, schreibt der Verfassungsschutz. „Die Scientologen möchten statt des Demokratieprinzips ein totalitäres Herrschaftssystem etablieren, das auf Psycho-Technologien und der bedingungslosen Unterordnung des Einzelnen beruht.“

„Scientology setzt bewusst auf Tarn-Organisationen, um Personen erreichen zu können, die ihrer Ideologie zunächst ablehnend gegenüberstehen. Ziel ist es, Kontakte zu Menschen aufzubauen, die zu einem späteren Zeitpunkt in die Hauptorganisation und das damit kostspielige Kurssystem eingegliedert werden können“, erklärt der Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht. Besonders interessant seien für Scientology Menschen, die sich in einer Lebenskrise befinden und leichter beeinflussbar sind – Drogenabhängige, psychisch Kranke oder Schüler mit schlechten Noten. Im Verfassungsschutzbericht sind auch von Scientologen geprägte Nachhilfeinstitute erwähnt, die zum Teil verdeckt, zum Teil offen scientologisch geprägte Kurse anbieten. Auch ein „religionsneutraler Leitfaden zum Glücklichsein“ wird seit einigen Jahren im Großraum München verteilt.

Matthias Pöhlmann, der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Bayern beobachtet Scientology seit vielen Jahren. Sein Eindruck ist, dass die Organisation verstärkt über Tarnorganisationen um Mitglieder wirbt. „Das ist auch ein Ergebnis intensiver Aufklärungsarbeit“, sagt er. „Gegenüber Scientology ist ein kritisches Bewusstsein entstanden.“ Ziel sei es, an Kontaktdaten von potentiellen neuen Mitgliedern zu kommen. Und das passiere unter dem Deckmantel der Lebenshilfe. Pöhlmann rät dazu, alle Broschüren, die über Tarnorganisationen von Scientology verbreitet werden, im Altpapier zu entsorgen. „Wenn man erst mal in der Scientology-Ideologie gefangen ist, wird es schwer auszusteigen.“ Im Internet sei es leicht zu recherchieren, ob es sich um Tarnorganisationen handelt. „Außerdem gibt es Beratungsstellen, in denen man nachfragen kann.“ Grundsätzlich sei es sinnvoller, vor Scientology zu warnen, als die Organisation zu verbieten, sagt er.

Auch die Stadt München weiß, dass Scientology getarnt mit einer Anti-Drogeninitiative aktiv ist. Am Samstag, 26. Oktober, ist am Stachus eine Veranstaltung vom Verein „Sag Nein zu Drogen – Sag Ja zum Leben“ angemeldet – am selben Tag, an dem auf dem Marienplatz eine Pro-Cannabis-Demo stattfindet. Die verantwortliche Abteilung behalte im Auge, ob und wie die Organisation unter anderem Namen in der Stadt aktiv ist, sagt eine Sprecherin. Solange die Organisation nicht verboten ist, können diese Versammlungen nicht pauschal verboten werden. „Das Kreisverwaltungsreferat prüft aber in enger Abstimmung mit der Polizei, ob von einer Versammlung Sicherheitsrisiken ausgehen oder dort Straftaten zu erwarten sind.“

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