Das Image der Mittelschule wird von Leuten geprägt, die sie nicht kennen, sagt Rektor Scheglmann. © dw
Unterschleißheim – Die Mittelschule steht meist nicht im Rampenlicht, dabei hat sie in Bayern eine lange Tradition. Ein Besuch in Unterschleißheim (Kreis München), Rektor Richard Scheglmann empfängt in seinem Büro. „Wir sind schon eine große Familie“, sagt er. Er begrüßt jeden Schüler in der Früh persönlich. Das will was heißen bei fast 500 Schülern. Bei 72 Prozent Migrationsanteil. Aber Scheglmann will zumindest einen kleinen Wohlfühlfaktor schaffen. Er will nicht klagen, fühlt sich unterstützt von höheren Behörden wie dem Schulamt. Doch oft steckt das Problem im Detail.
Zum Beispiel im sogenannten Migrationsteiler. Ab 25 Kindern und 50 Prozent Migrationsanteil wird eine Klasse geteilt. „So war es früher“, sagt Gerd Nitschke, stellvertretender BLLV-Vorsitzender und Personalrat. Heute bekomme die Schule oft nur einige Zusatzstunden. Es ist ein Problem, dass der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) kürzlich offen angesprochen hatte – in einer Art Grundsatzkritik an Kultusministerin Anna Stolz, die zu zögerlich agiere (wir berichteten). Auch jetzt betont BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann, die beim Gespräch in Unterschleißheim mit dabei ist, es gebe hier keine Kompromisse: „Der Migrationsteiler ist für uns ein entscheidender Garant für gute Integration“
Der Mittelschule gehen – trotz vieler Unkenrufe, die diese Schulart seit Jahrzehnten begleiten – die Schüler nicht aus. Gut 200 000 Mittelschüler gibt es im Freistaat, die Schülerzahl ist stabil. Rektor Scheglmann hat derzeit zehn Anfragen von Realschülern auf dem Tisch, die an seine Schule überwechseln wollen. Schulexperten lästern intern manchmal von „Abschulung“, weil die Schüler von einer vermeintlich höherwertigeren in die niedrigere Schulart überwechseln. Rektor Scheglmann sieht das natürlich nicht so. Er sagt aber, dass er die Realschüler während des Schuljahrs nicht aufnehmen muss. Er tut das nur, wenn sie in die Klassen passen. Nur zum Schuljahrsbeginn gibt es eine Übernahmegarantie.
Wer kommt, hat Aussicht auf eine stabile Ausbildung. 70 Prozent seiner Schüler, sagt Scheglmann, schaffen den Quali, den Qualifizierten Mittelschulabschluss. 30 Prozent schaffen den Praxisklassen-Abschluss. Nur ganz wenige verlassen die Schule ohne jeden Abschluss. Sechs Schüler waren es an der Unterschleißheimer Schule im vergangenen Jahr. Der Rektor hält es aber für ein „Zerrbild“, dass alle Schulabbrecher von der Mittelschule stammen. Die Statistik gibt ihm Recht. So verließen im Abschlussjahr 2023 5,3 Prozent der Schüler in Bayern die Schule ohne Abschluss. 2,2 Prozent von ihnen kamen von der Mittelschule, immerhin 0,3 Prozent von der Realschule, 2,5 Prozent von der Förderschule.
Ein Alltagsproblem für Scheglmann ist es, den Lehrermangel zu managen: Er soll, so der politische Wille, durch den Einsatz von Quereinsteigern entschärft werden – gerade erst hat das Ministerium wieder eine Werbekampagne für diese „Sondermaßnahme“ gestartet. Reibungslos verläuft das oft nicht. Schließlich haben Quereinsteiger zwar einen Hochschulabschluss, aber keine Ausbildung als Lehrer. „Sie verfügen möglicherweise weder über die erforderlichen pädagogischen Kompetenzen noch über die fachliche Qualifikation, um den Unterricht angemessen zu gestalten“, drückt sich Scheglmann vorsichtig aus. Diese Ersatzlehrer gut zu begleiten, sei wichtig. Sonst geben sie schnell wieder auf. 45 Lehrer sind an der Mittelschule, dass am Tag fünf oder sechs abwesend wegen Krankheit oder Fortbildung sind, sei völlig normal. Der Plan ist, dass dann die Mobile Reserve einspringt. Doch die ist eher für langfristig erkrankte Lehrer gedacht. Wenn ein Lehrer spontan ausfällt, kann auch eine Mobile Reserve so schnell nicht einspringen, man benötigt mindestens einen Tag Vorlauf, sagt der Rektor. Sonst muss gestrichen werden. In der Regel fällt zuerst die individuelle Förderung aus– wie auch an diesem Freitag. Einfach drei regulär ausgebildete Lehrer mehr wären gut, sagt der Rektor.
Warum aber gibt es zu wenig Mittelschullehrer? Im Moment ist noch die Bezahlung ein Thema, denn A13 ist zwar beschlossen, wird aber nur sukzessive eingeführt – bis es 2028 dann alle bekommen. Es gibt aber auch ein hartnäckiges Imageproblem unter den Lehramtsstudenten, meint Scheglmann. Die meisten wollen ans Gymnasium – „das kennt man, da war man ja früher selbst“. Dabei gebe es auch Vorteile an der Mittelschule, etwa das Klassenlehrerprinzip. Der Lehrer kann sich mit „seiner Klasse“ identifizieren, ist für sie verantwortlich. „Das schlechte Image wird von Menschen geprägt, die die Mittelschule gar nicht kennen.“
DIRK WALTER