Die Haarer sind jetzt Stoderer

von Redaktion

Holzkirchen ist stolz auf sein Marktrecht: Zweimal die Woche gibt es einen Markt. © THOMAS PLETTENBERG

Aus der Luft: das Haarer Gewerbegebiet samt Sportpark im Ortsteil Eglfing. © Lukas Prommer

Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) ist stolz auf den Stadt-Titel. © Oliver Bodmer

Haar – Andreas Bukowski war schon vor zwei Jahren guter Dinge. Damals hat der 45-jährige Bürgermeister die Internet-Domain www.haar-stadt.de gekauft. Und nun wird er sie brauchen. Denn seine 25 000-Einwohner-Gemeinde wird zur Stadt erhoben – neben Garching und Unterschleißheim zur dritten im Landkreis München. „Einige waren anfangs etwas skeptisch“, berichtet Bukowski. Denn für Haar war es nicht der erste Versuch, Stadt zu werden. Vor 25 Jahren hatte sich die Gemeinde schon einmal beworben. Vergeblich. Beim zweiten Anlauf war die Bewerbung fast 600 Seiten stark und sie musste viele Instanzen durchlaufen: Landratsamt, Regierung, Staatsarchiv und schließlich Innenministerium. Und dieses Mal hat es geklappt. Vor wenigen Tagen überreichte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Andreas Bukowski die Urkunde zur Stadterhebung.

Es gibt eine neue Internetseite, neue Ortsschilder und im Haarer Wappen ist nun das Wort „Stadt“ eingefügt. Sehr viel mehr wird sich aber für Haar nicht ändern. „Es ist ein schöner Ehrentitel“, sagt Bukowski. Auch er als Bürgermeister bekommt keine höhere Besoldung – denn die richtet sich nur nach der Einwohnerzahl. Aber der CSU-Politiker sieht zwei Vorteile durch die Stadterhebung: „Sie ist gut für die Motivation und den ohnehin guten Zusammenhalt der Haarer, weil unsere tolle Entwicklung ausgezeichnet wird“, sagt er. „Und außerdem können wir mit mehr Strahlkraft und Sichtbarkeit auf der Landkarte unsere Themen besser vertreten.“

Seit der Gebietsreform vor knapp 50 Jahren gab es insgesamt nur elf Stadterhebungen in Bayern. In der bayerischen Gemeindesatzung ist recht schwammig beschrieben, welche Kriterien eine Gemeinde erfüllen muss, um Stadt zu werden. Sie muss mindestens 15 000 Einwohner haben. Außerdem gute Siedlungsstrukturen – Märkte, Ärzte, Kultur. Da sei Haar gut aufgestellt, betont Bukowski. „Wir haben außerdem ein Kino, ein Theater, ein Bürgerhaus und ein reges Vereinsleben.“ Und natürlich das kbo-Isar-Amper-Klinikum mit seinen psychiatrischen Einrichtungen. Damit hat Haar eine wichtige Bedeutung für das Umland – ein wichtiger Faktor bei der Bewerbung um den Stadttitel.

Auch viele andere größere Gemeinden in Bayern würden diese Voraussetzungen erfüllen. Doch viele wollen gar nicht zur Stadt werden. Holzkirchen zum Beispiel bleibt lieber Marktgemeinde – obwohl sie mit mehr als 18 000 Einwohnern sogar deutlich größer als die Kreisstadt Miesbach ist. „Über eine Stadterhebung ist bei uns nie diskutiert worden“, sagt Bürgermeister Christoph Schmid. Holzkirchen lebt sein Marktrecht – zweimal wöchentlich gibt es kleine Märkte im Ort, außerdem vier große über das ganze Jahr. „In der Stadterhebung sehen wir keinen Mehrwert für uns“, erklärt Schmid. „Unser Selbstbewusstsein hängt nicht an einem Titel.“ Deshalb verzichtet Holzkirchen darauf, Schilder, Wappen und Briefköpfe ändern zu müssen.

Auch in Garmisch-Partenkirchen, ebenfalls Marktgemeinde mit rund 28 000 Einwohnern, gibt es keinerlei Bestrebungen zum Stadt-Titel. Denn bei der in der Zugspitzregion wichtigen Tourismus-Werbung klingt ein Markt irgendwie heimeliger als eine Stadt. „Wir identifizieren uns als Markt und sind fest der Überzeugung, der Titel ,Stadt‘ passt nicht zu uns“, sagt Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU). „Wir haben zwei wunderschöne Ortsteile, die historisch schon immer Märkte waren und daran wollen wir auch nichts ändern.“

Der Olchinger Bürgermeister Andreas Magg sieht das etwas anders. Olching war zusammen mit Puchheim die Gemeinde, die in Bayern zuletzt zur Stadt erhoben wurde. Das war im Jahr 2011. „Für uns fühlt sich das wie ein Ehrentitel an“, sagt er. Und rückblickend habe sich die Stadterhebung positiv auf das Zusammengehörigkeitsgefühl ausgewirkt. Durch die Siedlungsreform 1978 wurde Olching mit den Gemeinden Esting und Geiselbullach zwangsvereint. „Das hat damals Wunden hinterlassen.“ Aber die Stadterhebung habe die Stimmung verändert, berichtet Magg. Jede der Gemeinden fühlt sich nun als Stadtteil gewürdigt. Und allein hätte es keine geschafft, Stadt zu werden.

Magg erinnert sich noch heute an den Tag, als ihm der Innenminister im Festzelt vor 1800 Olchingern die Urkunde übergab. „So eine Stimmung habe ich nie wieder erlebt.“ Rein rechtlich hat sich für Olching nicht viel geändert, räumt er ein. Aber für einige Gewerbetreibende ist Olching als Stadt attraktiver geworden – und auch bekannter. „Früher waren wir Olching bei München. Heute sind wir einfach Olching.“ Und dass er die Ortsschilder ändern musste, hat Magg sogar genutzt. „Wir haben die alten versteigert. Dadurch kam noch etwas Geld für die Stadt zusammen.“

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