Als „Tierausbeuter“ bezeichneten die Aktivisten von „Animal Rebellion“ den Bauernpräsidenten. © dpa
Günther Felßner erklärte gestern, nicht mehr als Bundesagrarminister zur Verfügung zu stehen. © Sven Hoppe/dpa
München – „Meine Frau und ein junger Mitarbeiter hatten Angst um Leib und Leben!“ Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands, ist außer sich. Zwölf vermummte Aktivisten der Gruppe „Animal Rebellion“ sind am Montagmorgen auf seinen Bauernhof eingedrungen, um gegen Felßner zu protestieren – vor allem gegen seine mögliche Ernennung zum Bundesagrarminister.
Zwei von ihnen kletterten auf das Dach des Rinderstalls, in dem Felßners Frau und ein Mitarbeiter arbeiteten. „Sie hörten die Schritte auf dem Dach und konnten nicht raus, weil die Aktivisten das Ausgangstor versperrt hatten“, berichtete Felßner (58). Zugleich wurden auf dem Dach Bengalos gezündet. Durch die Lüftung sei Rauch in den Stall eingedrungen. Die Aktivisten brachten ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Tierausbeuter als Agrarminister“ am Stall an.
Damit ist für Felßner das Maß voll: Er erklärte gestern blass, aber gefasst in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in München seinen Verzicht auf eine Politkarriere in der CSU. „Ich bin nicht bereit, die Sicherheit meiner Familie aufs Spiel zu setzen.“ Die Angst vor Gewalt sei nun zu Hause „allgegenwärtig“. Das mache etwas mit ihm, wenn seine Frau, seine drei Kinder und sein 80-jähriger Vater zu Hause nicht mehr sicher seien. Zudem habe es nach dem Überfall online Drohungen von „Animal Rebellion“ gegeben: Die Aktion auf dem Hof sei eine Kampfansage für den Fall, dass er Minister werde. „Das ist eine unkalkulierbare Bedrohung von Unbekannten gegen mich und meine Familie. Ich bin nicht bereit, die Gefährdung meiner Familie hinzunehmen.“ Spekulationen, wonach er den Rückhalt in der CSU-Landesgruppe verloren habe, nannte er „Schwachsinn“. Als bayerischer Bauernpräsident und Vize des Deutschen Bauernverbands will Felßner weitermachen.
CSU-Chef Markus Söder sprach von einem „Angriff auf den ländlichen Raum“. Er wurde am Montag schon informiert über Felßners Rückzug. Er bat den Funktionär, noch mal eine Nacht darüber zu schlafen. Söder sagte gestern vor Journalisten, er hätte Felßner unbedingt als Minister sehen wollen: „Endlich mal ein Fachmann, ein Seiteneinsteiger, keiner, der vom Hörsaal ins Parlament kommt.“ Am Anspruch auf das Agrarministerium will die CSU festhalten. Namen wollte Söder nicht nennen. In Münchner CSU-Kreisen wird über Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber spekuliert; in Berlin traut sich die Landesgruppe selbst eine interne Besetzung zu.
Seit Söder den Bauernpräsidenten im November zum Kandidaten erkoren hatte, wuchs bei Tierrechts-Aktivisten und Umweltschützern der Widerstand. Felßner verwies auf zwei Online-Petitionen von „Campact“ und dem Umweltinstitut München gegen seine mögliche Berufung. „Kein Lobbyist als Agrarminister“ fordert die „Campact“-Petition, die mehr als 410 000 Unterstützer fand. Die Aktion des Umweltinstituts hat über 90 000 Unterstützer. Campact klagt: „Der Cheflobbyist des Deutschen Bauernverbandes ist nicht nur verurteilter Umweltsünder, sondern verbreitet auch Desinformation und ist stark verfilzt mit der Agrarlobby.“ Tierrecht-Aktivisten werfen dem Bauernpräsidenten vor, zum Konsum von Produkten aufzurufen, „für die Millionen von Lebewesen täglich ausgebeutet und grausam getötet werden“. Zudem erinnern sie an einen Strafbefehl über 90 Tagessätze, den Felßner 2018 wegen Boden- und Gewässerverunreinigung akzeptiert hatte. Sickerwasser aus seinen Silos war in ein Wasserschutzgebiet geleitet worden.
Von der Aktion distanzieren sich Campact wie das Umweltinstitut. Scarlett Treml von „Animal Rebellion“ hingegen sagte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass man für die Tiere alles tue. Die Aktivisten müssten sich immer wieder für Hausfriedensbruch verantworten. Jetzt sei verhindert worden, dass die kommenden vier Jahre für die Tiere eine Katastrophe würden.
Felßner betont, ein Bauernpräsident müsse heftige Auseinandersetzungen aushalten können. Kampagnen aber, die mit Narrativen und Lügen arbeiteten, heizten die Stimmung zusätzlich an. „Das ist eine Art von Zuspitzung, die am Schluss zur Radikalisierung führt.“ Man müsse in Deutschland dringend darüber reden, wie politische Auseinandersetzungen geführt werden. Das sagt auch Kaniber, die Münchner Ministerin: „Was hier dem Menschen Günther Felßner und seiner Familie angetan wurde, ist verabscheuungswürdig und menschlich betrachtet ein schwer erträglicher Vorfall.“ Sie warnte davor, dass nun immer weniger Menschen bereit seien, sich politisch zu engagieren.
CLAUDIA MÖLLERS UND
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER