Die Entwicklung der Kirchenaustritte in Deutschland seit dem Jahr 2012. © epd
München – Die Herausforderungen für die christlichen Kirchen in Deutschland bleiben groß, auch wenn sich der Druck durch die Kirchenaustritte im vergangenen Jahr etwas verringert hat. Gestern haben die beiden großen christlichen Kirchen ihre vorläufigen Statistiken aus dem vergangenen Jahr vorgelegt.
Die katholische Kirche verzeichnet demnach einen Rückgang der Kirchenmitglieder von 321 611 – im Jahr zuvor waren es noch 402 694, 2022 sogar 522 652. Im vergangenen Jahr lagen die Austritte in der evangelischen Kirche mit rund 345 000 erstmals seit 2016 wieder über denen der katholischen Kirche.
Die Zahlen „fordern uns heraus, neu zu fragen: Für wen sind wir als Kirche da?“, formuliert der Vorsitzende der deutschen katholischen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, das Hauptproblem. Auf evangelischer Seite umschreibt es die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs so: „Heute ist es längst keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Menschen einer Kirche angehören.“ Das drückt sich auch in weiteren Zahlen der Kirchenstatistiken aus: So nahm die Zahl der Taufen deutlich ab. Im Erzbistum München und Freising etwa um minus 10,7 Prozent. In der evangelischen Kirche in Bayern sank sie um fast 3000 auf nun 13 633.
Diese Zahlen, das weiß auch Bischöfin Fehrs, werden sich als Konsequenz der Mitgliederverluste in den nachfolgenden Generationen immer weiter fortschreiben. Nachdem die evangelische Kirche in Bayern mit ihrer Aktion „einfach heiraten“ im vergangenen Jahr die Zahl der Trauungen und Segnungen auf 631 Paare fast verdreifacht hat, plant die evangelische Kirche deutschlandweit in diesem Jahr auch eine Aktion „Segen für Babys“ zu verschiedenen Terminen. „In einer Zeit, die von Unsicherheit und Krisen geprägt ist, wollen wir eine Kirche sein, die Begleitung und Seelsorge anbietet, Hoffnung schenkt, Sinn stiftet und Räume für Gemeinschaft und Segen öffnet“, sagt dazu der evangelische Landesbischof Christian Kopp. Zur evangelischen Landeskirche in Bayern gehörten Ende 2024 insgesamt 2,025 Millionen Mitglieder (-2,8 Prozent gegenüber 2023). Die Zahl der Katholiken in Bayern lag 2024 5,52 Millionen.
Auch das katholische Münchner Erzbistum „bedauert jeden einzelnen Austritt sehr“. Generalvikar Christoph Klingan sieht sich durch leichte positive Tendenzen in der Aufgabe bestärkt, Menschen wieder mehr für den Glauben zu begeistern. So stieg die Zahl der Gottesdienstbesucher um knapp drei Prozent gegenüber dem Vorjahr auf durchschnittlich 107 910 Katholiken. Das sind 7,6 Prozent der Katholiken. Im Coronajahr 2021 waren es nur 4,8 Prozent.
Gesunken sind im Erzbistum die Zahl der Trauungen auf 2001 Paare (17 Prozent weniger als 2023) und die der katholischen Beerdigungen um 4,3 Prozent aus 14 838. Zeichen dafür, dass sich immer mehr Menschen von den früher selbstverständlichen Ritualen der Kirchen entfremdet haben. Auch in der evangelischen Landeskirche sinkt die Zahl der kirchlichen Bestattungen. Dieser fortschreitenden Säkularisierung will Landesbischof Kopp mit Engagement und Kreativität begegnen. Die Kirche müsse mitten im Leben bei den Menschen sein.
CLAUDIA MÖLLERS