Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck erhielt den Friedenspreis der Medien von der Verlegerin Christiane Goetz-Weimer überreicht. Ebenfalls auf dem Bild Dalia Grybauskaite (ehemalige Präsidentin Litauens) sowie die Landtagspräsidentin Ilse Aigner (r.). © PLETTENBERG
Gmund – Die Wolken hängen noch tief und grau über dem Tegernsee, aber immerhin, es gab ungemütlichere Tage zuletzt. Alles sieht wieder freundlicher aus, wenn auch nicht so malerisch wie auf der Homepage des gestern eröffneten Ludwig-Erhard-Gipfels, wo der Himmel blassblau ist und wolkengetupft. Seit elf Jahren lädt die Weimer Media Group die Wirtschafts- und Politprominenz zum Gut Kaltenbrunn, man sieht sich hier gerne als „das deutsche Davos“. Auch dieses Jahr, in dem die Veranstaltung unfreiwillig kleiner als sonst ausfallen muss. Die bundespolitischen Turbulenzen der letzten Wochen schlagen ihre Wellen bis an die friedlichen Tegernsee-Ufer.
Das fängt schon damit an, dass der langjährige Gastgeber fehlt. Wolfram Weimer, Publizist und Verleger, hat am Dienstagabend die Ernennungsurkunde zum Kulturstaatsminister erhalten und ist in Berlin unabkömmlich. Seit die Personalie vor zehn Tagen bekannt wurde, sind Organigramm und Ablauf des Gipfels umgekrempelt worden. Alleinige Geschäftsführerin der Mediengruppe ist nun Ehefrau Christiane Goetz-Weimer, die Interviewrunden ihres Mannes („Weimers Klartext“) teilen sich mehrere Mitarbeiter.
Auch an anderen Stellen sieht das Programm heute anders aus als im April. Die gerade erst angelaufenen Regierungsgeschäfte gehen vor. Sowohl der neue Kanzler Friedrich Merz (CDU) als auch sein Vize Lars Klingbeil (SPD) haben ihre für Freitag vorgesehenen Auftritte abgesagt. Merz macht stattdessen seine Antrittsbesuche bei EU und Nato in Brüssel. Dafür trat gestern Alexander Hoffmann auf, der neue CSU-Landesgruppenchef in Berlin. Ursprünglich angekündigt war neulich noch sein Vorgänger Alexander Dobrindt, mittlerweile Bundesinnenminister.
Es steckt einige Improvisation in dieser Veranstaltung. Christiane Goetz-Weimer kleidet die jähe Abwesenheit ihres Mannes in die hübsche Formulierung, vom Tegernsee gingen halt die wichtigen Impulse nach Berlin: „Manche sagen, das Beste, was wir haben – ich zum Beispiel.“
Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) musste noch am Dienstagabend ihre Rede großflächig umschreiben, mit der sie auf die Verleihung des „Freiheitspreises der Medien“ (genauer: der Weimer-Mediengruppe) an Altbundespräsident Joachim Gauck einging. Die turbulente Wahl des Bundeskanzlers machte es nötig. Die Zuversicht, wie Gauck sie verbreite, sei wichtiger denn je, werde an einem solchen Tag aber massiv auf die Probe gestellt: „Die breite Mehrheit in der Gesellschaft will vertrauen können und glauben können, dass sich Parteien am Ende einigen.“
Auch Markus Söder klingt am Tag danach schon wieder heiterer als in den Stunden der Ungewissheit über den Wahlausgang („Schaden für unser Land“). Der Ministerpräsident gehört als Schirmherr sozusagen zum Inventar des Ludwig-Erhard-Gipfels, Optimismus gehört hier zum Grundton, und so deutet er die Ereignisse radikal um. Mit 24 Stunden Abstand will er das Durcheinander „eher als Stärkung denn als Schwächung“ verstanden wissen. Als es darauf ankam, argumentiert er, habe jeder verstanden, worum es geht. Zudem sei während der Beratungen „nichts durchgestochen“ worden.
Söder blickt mit gespannter Erwartung nach Berlin und auf die neue Regierung: „Unser Land braucht dringend Veränderung.“ Eines seiner Lieblingsthemen, die Identitätspolitik, wird nicht zuletzt in die Zuständigkeit des neuen Kulturstaatsministers Weimer fallen. Den Hinweis kann sich Söder nicht verkneifen: Fragen an Gipfelgäste zu stellen, war spaßiger.
MARC BEYER