Sklavenarbeit in der SS-Kräuterplantage

von Redaktion

Im KZ Dachau wurde mit biodynamischem Anbau experimentiert – das ist nun erforscht

Ein verfallenes Gewächshaus im „Kräutergarten“. Offen ist, ob das Gelände Teil der Gedenkstätte wird. © S. Puchner/pa

Dachau – Im Auftrag der KZ-Gedenkstätte Dachau hat die Historikerin Anne Sudrow die Geschichte der ehemaligen SS-Versuchsgüter erforscht. Am Rand des Konzentrationslagers mussten Häftlinge eine gut 150 Hektar große landwirtschaftliche Fläche bewirtschaften, die SS nannte sie euphemistisch „Kräutergarten“, die Häftlinge „Plantage“, offiziell firmierte die Anlage als „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung“.

In dieser Versuchsanstalt wollten die Nazis Heilkräuter, Medikamente und Nahrungsmittel entwickeln. Der Fokus lag auf einer biologisch-dynamischen Anbauweise ohne industrielle Fertigung, ohne künstliche Düngemittel. Die Häftlinge mussten bei Wind und Wetter schuften, angetrieben von SS-Wärtern. An einer kleinen Verkaufsstelle konnten die Dachauer die Produkte des „Kräutergartens“, vor allem Obst und Gemüse, günstig kaufen. All das hat Anne Sudrow nun in zwei Bänden dargestellt – auf 820 Seiten.

Wie Sudrow herausfand, hat es Verbindungen zwischen der SS und einem Teil der Naturheilkundeszene gegeben. Weleda etwa soll von der DVA Dachau nicht nur Kräuter bezogen, sondern der SS auch eine Frostschutzcreme geliefert haben, die vermutlich für medizinische Versuche eingesetzt wurde. Darüber hinaus arbeiteten im KZ für die SS zwei ehemalige Mitarbeiter der Firma Weleda, die landwirtschaftliche Experimente organisierten. „Neu war für uns, wie eng das Netzwerk anthroposophischer Experten war, über Verbotsgrenzen hinweg“, sagt Gedenkstätten-Leiterin Gabriele Hammermann. Überraschend sei auch, dass die frühere „Versuchsanstalt“ in den 1950er- und 1960er-Jahren von ehemaligen Vertretern der NS-Ernährungsideologie fortgeführt worden sei.

Zudem wirft die Studie kein gutes Licht auf die damalige Dachauer Bevölkerung. Im „Kräutergarten“ kam sie mit Häftlingen in Kontakt. Doch Grausamkeiten der SS seien von zivilen Angestellten der Versuchsanstalt teilnahmslos hingenommen worden. Nach Recherchen der Historikerin hat es, wenn überhaupt, Hilfsaktionen für die Häftlinge nur in der kleinen Verkaufsstation des „Kräutergartens“ gegeben.

Die Studie wird am 30. September im Besucherzentrum der Gedenkstätte vorgestellt. Eintritt frei.STEFANIE ZIPFER

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