Manöver mit Makel

von Redaktion

Bundeswehr-Großübung bleibt überschattet von den Schüssen in Erding

Bundeswehrsoldaten feuern beim Medien-Tag der Großübung Marshal Power mit Platzpatronen. © Weigel/dpa

Aufmarsch vor dem AKW: Soldaten bei der Übung „Marshal Power“ gestern in Essenbach. © STACHE/AFP

Essenbach – Vor dem ehemaligen Atomkraftwerk Isar 2 stehen am Dienstagvormittag Demonstranten, sie rufen „Atomkraftstopp“ und „Sonne ja, Atomkraft nein“ Richtung Kühlturm. Eine laute Truppe, aber friedlich. Plötzlich Bewegung, ein paar Störer wiegeln die Menge auf, Schüsse. Ein Angriff aus dem Hinterhalt, Demonstranten gehen zu Boden, sie sind blutverschmiert. Präzisionsschützen der Bundeswehr feuern, am Boden rücken Feldjäger vor, werfen Rauchgranaten, schießen. Wenige Minuten später landet ein Hubschrauber CH53, Verletzte werden abtransportiert, Fahrzeuge von Polizei und Rettungsdiensten rasen auf das Gelände.

Was auf dem Acker bei Essenbach im Kreis Landshut passiert, ist eine Übung. Die Demonstranten sind Soldaten, die heute mal Schauspieler sind. Die „Lage“, wie das bei der Bundeswehr heißt, ist Teil der groß angelegten Militärpolizeiübung „Marshal Power“ – und gleichzeitig der Abschluss. Seit Mittwoch hatten mehr als 800 Soldaten, davon 500 Kräfte des Feldjägerregiments 3, in einem riesigen Gebiet zwischen München, Regensburg, Deggendorf und Landshut das Manöver durchgeführt. Zwölf Landkreise waren beteiligt. Dabei ging es vor allem darum, die Zusammenarbeit zwischen Feldjägern als Militärpolizei der Bundeswehr und zivilen Sicherheitsorganisationen und Behörden zu üben. Dass das angesichts der internationalen Sicherheitslage wichtig ist, wird in Essenbach mehrfach betont. Nur: Dieses Manöver hat einen Makel, obwohl es ansonsten wohl gut gelaufen ist. „Ich bin mit der Übung sehr zufrieden“, sagt Brigadegeneral Sandro Wiesner. Oberst Marco Langhorst, Kommandeur des Feldjägerregiments 3 München, sagt, sie sei „bruchfrei“ gelaufen. „Bis auf Altenerding.“

Am vorigen Mittwoch hatten Anwohner die Polizei alarmiert, weil sie in Altenerding bewaffnete Personen gesehen hatten. Die Beamten gingen von einem Ernstfall aus, schossen scharf. Ein Streifschuss erwischte einen Soldaten, er wurde verletzt. „Ich war natürlich geschockt, weil das einer unserer Männer war“, sagt Oberst Langhorst gestern. Er sei froh, dass der Soldat inzwischen wieder im Kreise seiner Familie sei. Doch die Frage bleibt: Wie konnte es zu diesem Missverständnis kommen? Ausgerechnet bei einem Manöver, bei dem es um Zusammenarbeit ging?

Die Verantwortlichen der Bundeswehr drängen auf Aufklärung, auch, um daraus zu lernen. Man habe die Übung nach dem Vorfall unterbrochen und intensiv diskutiert, ob man sie ganz abbreche. Als klar war, es geht weiter, habe man das Bürgertelefon noch stärker beworben, eine Standleitung zur Polizei eingerichtet, alle geplanten Lagen noch einmal in Richtung Behörden kommuniziert. Denn, das betont Oberst Langhorst, es sei ein Spagat zwischen einer sinnvollen Übung unter möglichst realen Bedingungen und der Information der Bevölkerung. „Ich kann nicht alle Plätze und Uhrzeiten im Vorfeld bekannt geben.“ Dennoch habe man weit über das normale Maß hinaus kommuniziert und die Behörden im Vorfeld informiert.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen, und darauf verweisen die Soldaten auch bei Nachfragen. Wer sonst bereitwillig Auskunft über das Manöver, die technischen Details gibt, reagiert beim Stichwort Altenerding verhalten. Der „Anmarsch“ von Feldjägern ganz in der Nähe des Semptsportstadions sei von der Bundeswehr nie angekündigt worden, das hat die Polizei mehrfach erklärt. Über die Einsätze wussten die Bürgermeister von Berglern und Moosinning seit Monaten Bescheid, Erdings Oberbürgermeister Max Gotz jedoch sagt: „Da ist nix gekommen außer eine Anfrage für den 28. Oktober, ob Soldaten und Soldatinnen Duschmöglichkeiten nutzen können.“ Die Grünen im Landtag fordern Aufklärung vom bayerischen Innenminister – mit einem umfassenden Bericht im Innenausschuss des Landtags (siehe Text unten).CARINA ZIMNIOK/TIMO AICHELE

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