Ein Foto aus der Kindheit: Auch Christian Chymyn hatte Respekt vor dem Nikolaus.
Christian Chymyn, wenn er grade nicht Nikolaus ist. © privat (3)
Seit vielen Jahren ein eingespieltes Team: Christian Chymyn als Nikolaus und Wolfgang Manhart als Krampus. Manchmal tauschen sie auch die Rollen.
Kleinberghofen – Der kleine Josef sitzt ängstlich unter dem Tisch und denkt gar nicht dran, sich rauszuwagen. Vor ihm stehen ein etwas verzweifelter Nikolaus und Krampus. „Josef, wenn du rauskommst, haben wir einen Spielzeug-Traktor für dich“, sagt der Nikolaus so freundlich er kann. Doch nicht mal das kann den Bub locken. „Dann nehmt den Traktor wieder mit“, ruft er entschieden.
Christian Chymyn muss noch heute schmunzeln, wenn er an seinen ersten Einsatz als Nikolaus zurückdenkt. Ist lange her, rund drei Jahrzehnte. So schwer wie der kleine Josef hat es ihm danach selten ein Kind gemacht, seine Geschenke zu übergeben. Und es waren viele Kinder, denen er im Nikolaus-Mantel gegenübergetreten ist. Er kann nicht mal schätzen, wie oft ihm das Lied „Sei gegrüßt lieber Nikolaus“ vorgesungen wurde. Oder wie viele Gedichte er gehört hat. „Es war immer schön, in diese Rolle zu schlüpfen“, sagt er.
Ohne ihn und seinen Freund Wolfgang Manhart wären viele Kinder in Kleinberghofen im Kreis Dachau wohl ohne Nikolaus aufgewachsen. Die beiden waren um die 20, als sie darüber sprachen, wie sehr sie der Nikolaus in ihrer Kindheit beeindruckt hatte. Jahrelang war Chymyns Großonkel im Dorf als Nikolaus unterwegs, dann ging er in den wohlverdienten Nikolaus-Ruhestand. Und die zwei Freunde entschieden, dass sie die Tradition für ihn fortführen. Mitra und Stab gab er ihnen gerne weiter. Aus einem alten Schnittmusterbuch wurde mit etwas Bastel-Einsatz das goldene Nikolaus-Buch. Eine Bekannte machte für die beiden einen Aushang im Kindergarten. Und schnell waren die ersten Aufträge da.
„Fast zehn Jahre waren wir gemeinsam unterwegs“, erzählt Christian Chymyn. Die Rollen tauschten sie gelegentlich. „Wir wurden sehr schnell immer besser.“ Kinder, die sich nicht unterm Tisch raustrauten, gab es nicht mehr. „Wir wollten nie eine Erziehungsfunktion übernehmen“, sagt der 48-Jährige heute. Auf jeden Tadel folgte bei ihnen auch ein Lob. Und ein Krampus, der Geschenke überreicht, kam auch bei Kindern gut an. Was sich im Laufe der Jahre allerdings verändert hat, waren die Geschenke, die sie aus ihrem Sack ziehen sollten. Früher gab es ein paar Mandarinen und Nüsse, dazu vielleicht eine Hörspiel-Kassette, erinnert er sich. Heute seien es auch mal ferngesteuerte Roboter oder ähnlich teure Geschenke.
Die beiden Freunde haben auf ihren Touren viel erlebt. Einmal wären sie bei einer Pinkelpause am Wegrand fast aufgeflogen, als plötzlich eine Mutter mit Kind vorbeispazierte. Ein anderes Mal hätte sie ein etwas zu starker Jagertee beinahe aus dem Konzept gebracht. Und einmal hatten sie die Adresse falsch notiert und wären fast ins falsche Haus marschiert. Ihre Aufträge beschränkten sich schon bald nicht mehr auf Kleinberghofen. „Wir waren zwischen Schrobenhausen und München unterwegs“, erzählt Chymyn. Auch Vereine buchten sie für Weihnachtsfeiern. Ihr Terminkalender war rund um den 6. Dezember jahrelang für alles dicht, was nicht mit dem heiligen Nikolaus zu tun hatte. Dann wurde Manhart Vater – und Christian Chymyn zog die nächsten Jahre allein los. Irgendwann auch ins Wohnzimmer seines Freundes.
Heute hat der 48-Jährige zwei kleine Kinder: Paul (7) und Ina (4). Natürlich bekommen sie Besuch vom Nikolaus. Wolfgang Manhart hat nun ja wieder Zeit, in das Kostüm zu steigen. Christian Chymyn steht jetzt nicht mehr neben ihm, sondern beobachtet, wie seine Kinder den Nikolaus mit großen Augen anstaunen. Und jedes Mal muss er aufpassen, dass er den Nikolaus-Text nicht aus Versehen mitspricht.
Irgendwann werden sie wieder gemeinsam losziehen, das steht fest. „Hoffentlich werden wir noch dieselben Nikoläuse sein wie mit 20.“ Am Zauber, der jedes Mal zu spüren ist, wenn Nikolaus und Krampus den Raum betreten, wird sich jedenfalls nichts ändern. Und in den allermeisten Fällen ist dieser Zauber ja viel mächtiger als die Angst.KATRIN WOITSCH