Perl-Nennig – Christian Bau, 46, ist ein Exot unter den deutschen Spitzenköchen. Nicht nur, weil er vor gut zehn Jahren als einer der Ersten die asiatische, vor allem die japanische Küche für sich entdeckte und mit der französischen Hochküche kombinierte und einen ganz eigenen Stil entwickelte.
Er tickt auch ansonsten anders: Der Küchenchef legt keinen Wert auf Anzug und Krawatte, klassische Musik und edle Tischdecken im Restaurant „Victor’s Fine Dining“ in Perl-Nennig im Saarland. „Essen soll Spaß machen“, sagt Bau, der jetzt vom „Gault Millau“ zum „Koch des Jahres“ gekürt wurde.
Die Freiheit hat sich Bau hart erkämpft. Der Schnitt kam 2005, als er den dritten Stern des „Guide Michelin“ bekommen hatte. „Auf der einen Seite war das der Olympiasieg für mich“, sagt der Koch, der jahrelang bei Lehrmeister Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn in die Küche ging. „Aber als die Auszeichnung da war, musste ich weinen“, erinnert er sich. „Ich habe zu meiner Frau Yildiz gesagt: Ich will so nicht weitermachen. Wir sind zu Marionetten in diesem System geworden.“
Er hatte keine Lust mehr auf klassische französische Küche, wollte nicht mehr „in schwarzen Bundfaltenhosen durchs Restaurant laufen und den Grüßaugust machen“. „Das waren nicht wir.“
Der Wandel kam sanft und langsam. Aber sicher. Die japanische Gastgeber-Kultur, die Demut, die Feinheit der Menschen hatten ihn schon lange fasziniert, sagt Bau. Bei vielen Reisen nach Asien habe er immer mehr dazugelernt – vor allem das große Handwerk in der Küche, das viel Disziplin und Beharrlichkeit verlangt.
Er kochte immer japanischer und komponierte einen Stil, „der von gutem Handwerk geprägt ist und von französischen Grundprodukten, die für mich in Europa immer noch die besten sind“. Hinzu kommen aber Waren aus aller Welt. „Ich bin ein unglaublicher Produktfetischist“, sagt Bau. „Meine Maxime ist: Ich will die besten Produkte in meine Küche holen.“ Und wenn der beste Rosmarin in der Provence wächst, kommt er eben von dort. Und der Hamachi-Fisch werde direkt vom japanischen Fischmarkt eingeflogen.
Fast gänzlich aus der Küche verbannt hat er Fette wie Sahne, Butter und Crème fraîche. „Wir kochen viel mit Brühen und asiatischen Zitrusfrüchten.“ 85 Prozent der Gerichte hätten mit Meer – vor allem Fisch – zu tun. Anfangs sei er für seinen Stil belächelt und verspottet worden, sagt Bau. „Heute, glaube ich, sind wir die meistkopierte Küche in Deutschland.“
Für die Auszeichnung „Koch des Jahres“ sei er „extrem dankbar“. „Das ist natürlich was, wovon jeder Koch träumt.“ Auch wenn es bei „Gault Millau“ Liebe auf den zweiten Blick war – denn auch dort hätten die Experten ihn anfangs „argwöhnisch“ betrachtet. „Wir sind eben kein Drei-Sterne-Restaurant von der Stange.“ Birgit Reichert