München – Wolf-Armin von Reitzenstein hat keinen Grund zu klagen. Ohne Geldsorgen lebt der 81-Jährige mit seiner Frau und einem seiner drei Kinder in einer Villa im Münchner Viertel Neuhausen-Nymphenburg. Die Zukunft aber bereitet ihm Sorgen. Am 26. September ist Bundestagswahl – und je nachdem, welche Koalition an die Regierung kommt, droht eine Rückkehr der Vermögensteuer. Und die, sagt Reitzenstein, würde ihn dazu zwingen, sich zu verschulden oder sein Haus zu verkaufen.
Das Anwesen an der Lachnerstraße ist geschichtsträchtig. 1907 wurde es vom Architekten Richard Schachner erbaut. Schachner hat auch das Schwabinger Krankenhaus und die Münchner Großmarkthalle geplant. Schachner war der Stiefgroßvater Reitzensteins. Das Haus ist also alter Familienbesitz. Das soll so bleiben. „Nach meinem Tod sollen meine Kinder, die in dem Haus aufgewachsen sind, dieses bekommen und bewahren“, sagt der Philologe und Historiker.
Aufgeschreckt haben Reitzenstein die Pläne von Grünen, SPD und Linken, die Vermögensteuer zu reanimieren (siehe Kasten). Die Steuer war 1997 von der Regierung Kohl auf Eis gelegt worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht sie für rechtswidrig erklärt hatte. Begründung: Immobilienvermögen werde nach zu niedrigen Einheitswerten besteuert. Das führe zu einer Benachteiligung von Kapitalvermögen.
Würde die Vermögensteuer wieder erhoben, müsste sie sich also nach dem Verkehrswert richten. Und das, sagt Reitzenstein, sei eine Katastrophe. „Mein Anwesen wird vom Finanzamt auf zehn Millionen Euro geschätzt.“ Eine Folge der explodierenden Grundstückspreise. Legt man den Plan der Grünen zugrunde, müsste Reitzenstein 80 000 Euro an den Fiskus überweisen. Jedes Jahr. „Das könnte ich vielleicht ein einziges Mal von den Ersparnissen eines kinderreichen Lehrers bezahlen. Wenn das so kommt, wäre ich gezwungen zu verkaufen.“ Der Staat, schimpft er, lege ein Vermögen zugrunde, „das man gar nicht hat“. Abreißen und ein großes Mietshaus bauen dürfte Reitzenstein nicht. Sein Anwesen ist denkmalgeschützt. „Ich darf nicht einmal die Bäume absägen“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe er hohe Unkosten gehabt. So mussten das Dach und das Erdgeschoss saniert werden. Abzüglich der Mieteinnahmen – in der Villa wohnen noch eine Studentin und sein Sohn, die beide Miete zahlen – habe ein Minus von rund 45 000 Euro gestanden. In anderen Jahren schwankt sein Einnahmeplus zwischen 3000 und 20 000 Euro. Dazu, sagt Reitzenstein, könne man gerne noch den Eigenmietwert rechnen, also das, was er sich selber an Miete spare. Diesen Betrag mit einer Steuer zu belegen, sei in Ordnung.
Also eine Steuer nach Ertrag, nicht nach Bestand. „Grundlage muss das sein, was die Immobilie einbringt“, findet Reitzenstein. Seine Forderung: „Das Bewertungsgesetz muss um einen Satz ergänzt werden: dass anerkannte Denkmäler nur nach dem Ertrag besteuert werden.“ Das würde freilich nur denkmalgeschützte Immobilien schützen. In München aber gibt es viele Hauseigner, deren Grundstück plötzlich viele Millionen mehr wert ist. Weil Spekulanten die Preise treiben und kaufen, was sie bekommen können. In seiner Nachbarschaft, sagt Reitzenstein, sei erst jüngst ein Grundstück für einen zweistelligen Millionen-Betrag verkauft worden – trotz Denkmalschutz. „Das ist vielen Investoren egal. Die haben so viel Geld, dass sie die Immobilie kaufen und hoffen, dass die Preise weiter steigen. Dann verkaufen sie es wieder.“ Leidtragende seien Hauseigner wie er, die nicht am großen Gewinn interessiert seien, aber auch von der drohenden Vermögensteuer betroffen. wha