München – In Bayern rollt die bislang heftigste Hitzewelle des Sommers an, Meteorologen prophezeien für kommende Woche Temperaturen jenseits der 35 Grad. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befürchtet sogar Todesopfer wegen der Hitze. Seine Sorge kommt nicht von ungefähr: Hohe Sommertemperaturen haben in den Jahren 2018 bis 2020 tausende Menschen das Leben gekostet, wie eine Studie zeigte, die kürzlich im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht wurde. Demnach gab es erstmals seit 1992 eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren. An der Untersuchung waren Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts, des Umweltbundesamtes und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) beteiligt. Auch in diesem Juni hat die Hitzewelle die Zahl der Sterbefälle in Deutschland steigen lassen, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte. Um die Bevölkerung vor den Folgen von Hitzewellen zu schützen, hat der DWD ein Hitzewarnsystem entwickelt und in seine Routinevorhersage integriert (www.dwd.de).
Mediziner verweisen darauf, dass extreme Temperaturen etwa das Risiko für einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder eine Venenthrombose erhöhen können. Der Hintergrund: Durch Schwitzen verliert der Körper Flüssigkeit, das Blut wird zähflüssiger. „Dies führt zu einer verringerten Blutströmungsgeschwindigkeit bis hin zum Blutstau in den Venen“, erklärt Medizin-Meteorologe Prof. Andreas Matzarakis von der Deutschen Herzstiftung. Daneben gibt es eine ganze Palette an hitzebedingten Problemen – von Blutdruckproblemen über Herzrhythmusstörungen bis hin zu Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Muskelkrämpfen.
Gerade für ältere und chronisch kranke Menschen steigt mit dem Thermometer auch die Gefahr. Extreme Hitze kann bei Herz- Kreislauf-Leiden wie Bluthochdruck, einer Verengung der Herzkranzgefäße, Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche zur Belastung für den geschwächten Körper werden, warnt Prof. Heribert Schunkert vom Deutschen Herzzentrum München. „Wer beispielsweise einen zu hohen Blutdruck hat, der leidet besonders unter extremer Hitze, weil sie den Körper so unter Stress setzt, dass der Blutdruck zusätzlich steigen kann.“ Umgekehrt könne der Blutdruck aufgrund der Hitze und der sich weitenden Gefäße auch stark abfallen. Dann drohen: Ohnmacht, Schwindel oder Herzrhythmusstörungen. „Manchmal fällt der Blutdruck so stark ab, dass die Dosis der Blutdruckmedikamente nach Rücksprache mit dem Arzt angepasst werden muss“, sagt Schunkert, der dem Vorstand der Herzstiftung angehört.
Nicht nur Herzpatienten sollten bei extremen Temperaturen auf der Hut sein. Wer sich zu lange ungeschützt in der knallenden Sonne aufhält, dem droht als schwerste Form einer Hitzeerkrankung ein Hitzschlag – und der kann im ungünstigsten Fall sogar lebensbedrohlich werden. „Kritisch kann es beispielsweise werden, wenn der Patient einen hochroten Kopf hat und sich völlig überhitzt anfühlt – eine Körpertemperatur von über 41 Grad Celsius kann hier erreicht werden.“, erklärt der Münchner Kardiologe Prof. Volker Klauss. Ein Warnsignal ist, wenn der Betroffene überhaupt keinen Schweiß mehr absondert. „Weitere Alarmzeichen sind eine schnelle, flache Atmung und ein taumelnder Gang bis hin zur Bewusstlosigkeit.“ Ersthelfer sollten Hitzschlag-Patienten mit feuchten Tüchern kühlen, bis der Notarzt eintrifft.
Weniger dramatisch verläuft in der Regel ein Sonnenstich. Dabei ist die Hirnhaut gereizt, weil der Kopf zu lange schutzlos der Sonne ausgesetzt war. „Die Beschwerden stellen sich oft mit Verzögerung ein, beispielsweise erst am Abend nach einem langen Tag in der Sonne. Die Betroffenen leiden häufig an Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Sie können nicht richtig schlafen und fühlen sich mitunter überreizt“, sagt Klauss. Größere Gefahr ist normalerweise nicht in Verzug. Nach einem Sonnenstich gilt: „In den nächsten Tagen im Schatten bleiben und viel trinken. Allerdings sollte man einen Arzt aufsuchen, falls es zu stärkeren Kreislaufproblemen oder Bewusstseinseintrübungen kommt“, rät Klauss.
Die Sonne kann allerdings auch langfristig eine Gefahr sein: „Mit jedem Sonnenbrand steigt das Hautkrebs-Risiko“, warnt der Münchner Dermatologe Dr. Christoph Liebich. „Diese Gefahr sollte man nicht unterschätzen, denn gerade schwarzer Hautkrebs gilt als äußerst aggressiv und bildet schnell Metastasen in anderen Organen.“