München – Eine EU-Parlamentarierin, die sich für die Abschaffung der Zeitumstellung stark macht, ist Angelika Niebler (CSU). Seit 1999 sitzt die stellvertretende CSU-Vorsitzende im EU-Parlament.
Frau Niebler: Warum machen Sie sich gegen die Zeitumstellung stark?
Die jährliche Zeitumstellung ist für viele Menschen ein echtes Ärgernis. Das erklärte Ziel bei Einführung war damals zu Zeiten der Energiekrise, mit der Sommerzeit Energie zu sparen. Studien haben aber gezeigt, dass es keinen Einspareffekt gibt. Außerdem stößt die Zeitumstellung vielen Menschen negativ auf. Das war der Auslöser, die EU-Kommission aufzufordern zu prüfen, ob das noch zeitgemäß ist. Jean-Claude Juncker, damals Präsident der EU-Kommission, hat dann eine Online-Umfrage gestartet. Diese lief relativ kurz, aber es haben sich dennoch viele Menschen beteiligt. Es gab damals ein klares Votum für die Abschaffung der Zeitumstellung.
Eine Online-Befragung genügt aber keinen statistischen Standards. Sie ist nicht repräsentativ.
Repräsentativ ist sie nicht, das stimmt. Aber das Ergebnis spiegelt schon die Debatten wieder, die landauf, landab geführt wurden. Ich habe mit München und Oberbayern einen großen Wahlkreis. Die Zeitumstellung poppt jedes Jahr als Thema zweimal hoch. Dann beginnt im Freundes- und Bekanntenkreis die Diskussion, warum wir diese blöde Zeitumstellung überhaupt haben.
Was nervt denn die Leute?
Die einen nervt, dass sie im Sommer früher aufstehen müssen, die anderen, dass die Abende im Winter wieder kürzer werden. Andere allein die Tatsache, dass sie die Uhren verstellen müssen. Keiner erkennt einen Sinn und Zweck in der Zeitumstellung.
Im Sommer ist es länger hell. Das ist doch schön.
Dann könnte man doch ganzjährig die Sommerzeit nehmen. Egal, für welche Zeit man ist: Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Wenn es mal eingespielt ist, dann ist es halt so.
Ist es nicht gerade eingespielt? Die Zeitumstellung erfolgt einheitlich. Nun sollen sich alle Länder wieder entscheiden, welche Zeit sie dauerhaft wollen.
Es wird weiterhin in der EU unterschiedliche Zeitzonen geben. Wir wollen, dass sich die Länder mit ihren Nachbarn, also der Süden Europas, Mittel- und Osteuropa, untereinander abstimmen. Es soll nicht jedes Land einzeln entscheiden. Haben die Länder sich abgestimmt, muss das EU-Parlament das bestätigen.
Und wenn jeder etwas anderes will?
Dann haben sie sich nicht geeinigt und die Abschaffung bleibt liegen.
Es muss also eine Einigung auf eine Zeit geben?
Nicht unbedingt. Unser Vorschlag war, die Zeitumstellung abzuschaffen und sich dann in den Zeitzonen entweder auf Sommer- oder Winterzeit zu einigen, um einen Fleckenteppich zu verhindern. Es müssten sich also die südlichen, mitteleuropäischen und die östlichen Länder auf eine Zeit einigen.
Es tut sich aber nichts.
Die Frage liegt zur Entscheidung bei den Mitgliedstaaten. Dort wird es derzeit aber nicht auf die Tagesordnung gesetzt.
Weil es Wichtigeres gibt als die Zeitumstellung …
Natürlich. Für die Mitgliedstaaten ist die Frage, wie man sich in Zeiten des Ukraine-Kriegs geopolitisch aufstellt, viel wichtiger. Wir haben Inflation, die Lebenshaltungskosten steigen. Die Menschen haben im Moment andere Sorgen. Das heißt aber nicht, dass das Thema dauerhaft vom Tisch ist.
Wann fällt denn realistisch eine Entscheidung?
Hätten Sie mich in der Hochphase unserer Kampagne gefragt, hätte ich gesagt: bald. Aber heute ist eine Prognose schwierig.
Was wäre denn verloren, wenn es einfach bei der Zeitumstellung bleibt?
Ich nehme wahr, was die Leute mir zurufen. Immer wenn die Umstellung bevorsteht, bekomme ich viele Zuschriften. Dann muss man doch zumindest fragen, ob eine Regel, die ihr eigentliches Ziel nicht erreicht hat, noch sinnvoll ist.
Welche Zeit hätten die Deutschen denn gerne?
Die Älteren wohl lieber die Sommerzeit, weil es abends länger hell ist. Familien eher die Winterzeit, weil die Kinder dann nicht im Dunkeln zur Schule müssen. Ich persönlich bin für die ganzjährige Sommerzeit.
Interview: Wolfgang Hauskrecht