Schwammstädte als Schutz vor Wasserschäden

von Redaktion

VON ELKE RICHTER

Neu-Ulm – Spielplätze in Grünanlagen, die bei Starkregen wie Inseln aus absichtlich überfluteten Liegewiesen herausragen. Zur Mitte hin geneigte Straßen, die das Wasser vorübergehend sammeln, wenn die Kanalisation es nicht mehr schafft. Begrünte Dächer und Fassaden, die Regen speichern und natürliche Verdunstung ermöglichen – und so eine kühlende Wirkung entfalten. Das Prinzip der sogenannten Schwammstadt wird in immer mehr Kommunen umgesetzt. Es hilft nicht nur, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen und Schäden durch Unwetter oder Hitze zu minimieren. Es steigert auch die Lebensqualität der Bürger.

„Früher hatten wir immer die Vorstellung, Wasser muss möglichst schnell aus der Stadt abgeleitet werden“, erläutert Friedrich Hetzel von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Regenwasser kam so schnell wie möglich in die Kanalisation. „Jetzt haben wir diese Extreme, und um mit denen umgehen zu können, brauchen wir Wasser, um die langen Trockenphasen zu überbrücken und die Hitze aus der Stadt über die Verdunstung der Pflanzen rauszubringen.“ Auch sollen bei Starkregenereignissen Überflutungen verhindert werden.

Die technischen Systeme vom Abwasserrohr bis zur Kläranlage sind auf die Wassermassen, die immer häufiger in kurzer Zeit herunterprasseln, nicht ausgelegt. Kopenhagen etwa stand 2011 nach einem Wolkenbruch großflächig unter Wasser. Schaden: rund 800 Millionen Euro. Aber es gibt auch weniger sichtbare Folgen: In Berlin und anderen deutschen Großstädten läuft zum Beispiel die Kanalisation nach starken Regenfällen regelmäßig über – und Wasser aus den Toiletten und Waschmaschinen fließt zusammen mit Regenwasser, Hundekot und Autoreifenabrieb ungereinigt in Kanäle und Flüsse.

Moderne Regenwasserbewirtschaftungssysteme zielen darauf ab, sich wieder an die natürliche Wasserbilanz anzunähern. Jenseits dicht bebauter Städte und intensiv genutzter Landwirtschaftsflächen verdunsten in unseren Breiten normalerweise gut 60 Prozent des Regenwassers, 30 Prozent versickern – und nur 10 Prozent fließen ab. „Diesen natürlichen Wasserhaushalt versucht man bei einer Schwammstadt über blau-grüne Infrastruktur mit naturnahen Bausteinen wie Dachbegrünung, Fassadenbegrünung und Versickerungsmulden in die Stadt und die Planungen zu integrieren“, erklärt Gerhard Hauber vom Planungsbüro Henning Larsen Landscape im baden-württembergischen Überlingen. Letztlich solle das Regenwasser dort, wo es anfalle, verdunsten, versickern oder aufgefangen werden.

„Meistens geht es um relativ kurze Zeitfenster, um 15, 30 Minuten, die das Regenwasser zurückgehalten werden muss. Danach sind die technischen Systeme wieder in der Lage, das Wasser abzuleiten“, schildert der Landschaftsarchitekt. Für diese Zeit könne man „multifunktionale Flächen“ wie Parkplätze oder Parks gezielt fluten. Auch könne man Straßen, die zu einer Entwässerungsrinne in der Mitte hin abfallen, vorübergehend volllaufen lassen, damit das Wasser nicht unkontrolliert an den Gullys vorbei in Häuser am Rand drücke. „Wenn man es mit dem Klimawandel zusammen denkt – und der Klimawandel hat ja ganz viel mit Hitze zu tun –, dann hilft die Verdunstung auch zu kühlen“, ergänzt Hauber, international gefragter Experte für Schwammstädte. Wenn man die Flächen für das Regenwasser noch dazu gestalterisch nutze, erhöhe man die Aufenthalts- und Lebensqualität in den meist dicht bebauten Großstädten.

„Die baulichen Investitionen sind zunächst hoch“, räumt Jochen Meissner vom Tiefbauamt der Stadt Neu-Ulm ein. Doch langfristig rechne sich das Vorgehen – finanziell und auch hinsichtlich Klima- und Umweltschutz. So müsse man die über das Stadtgebiet verteilten Auffanganlagen für Regenwasser und die weiterführende Kanalisation nicht aufdimensionieren. Und aus den offenen Versickerungsbecken gelange ein größerer Teil des Regenwassers in die Böden und speise den Grundwasserspiegel, ein weiterer Teil verdunste.

„Dieses Wasser muss nicht in den Kläranlagen aufwendig gereinigt werden, was Energie- und Betriebskosten verursacht und mit CO2-Emissionen verbunden ist“, erläutert Meissner. Zudem vermeide man so, dass die Regenüberlaufbecken, die den Kläranlagen vorgelagert sind, nach heftigen Niederschlägen überlaufen und Wasser nur wenig geklärt in die Donau gelangt. „Diese Schmutzfracht wollen wir vermeiden“, sagt Meissner.

Warum aber sind nur einzelne Städte in Deutschland in Sachen Schwammstadt aktiv, während viele andere in Willensbekundung verharren? Zum einen gibt es Fachleuten zufolge in den Städten eine knallharte Konkurrenz um die wenigen verfügbaren Flächen. Zum anderen müssen bei der Planung viele verschiedene Ämter vom Hochbau- über das Tiefbau- bis zum Gartenamt zusammenarbeiten, statt nur ihr eigenes Fachgebiet zu beackern.

Das Fazit von DWA-Experte Hetzel: „Es gibt kein Wissensdefizit. Wir haben ein eklatantes Umsetzungsdefizit, weil wir in den Kommunen immer noch in Schubladen denken.“

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