München – Homöopathie ist seit Jahren umstritten. Nun sollen die Kassen die Leistung aus ihrem Katalog streichen. Aber was ist Homöopathie überhaupt – und was sagt die Wissenschaft dazu?
Homöopathie
Bei der Homöopathie handelt es sich um eine Methode, die sich Ende des 18. Jahrhunderts durch den deutschen Arzt Samuel Hahnemann etabliert hat. Sein Ansatz: heile Ähnliches durch Ähnliches. Vereinfacht bedeutet das, dass Patienten mit einem verdünnten Arzneistoff behandelt werden, der bei einem Gesunden ein ähnliches Krankheitsbild hervorrufen würde. Homöopathische Mittel werden unter anderem bei chronischen Erkrankungen, Allergien, Abwehrschwäche oder psychosomatischen Reaktionen angewendet.
Die Arzneien
Homöopathische Arzneimittel werden speziell nach homöopathischer Denkweise zubereitet. Ein Stoff, das können neben Pflanzen zum Beispiel Metalle, Mineralien oder tierische Stoffe sein, wird in der Regel durch mehrfaches Verschütteln mit Wasser und/oder Alkohol hergestellt. Es gibt auch andere Methoden der Herstellung, etwa durch Verreiben (Trituration). So soll der Wirkstoff in den Trägerstoff übergehen und seine energetische Wirkung entfalten. Homoöpathische Arzneien gibt es als Tropfen, Globuli, Tabletten oder Cremes. Es gibt verschiedene Verdünnungsgrade von 1:10 (D-Potenzen), 1:100 (C-Potenzen) bis 1:50 000 (Q-Potenzen). Ab einer Verdünnung von D24 ist nach den Gesetzen der Chemie kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr in der Verdünnung vorhanden. Die Vorstellung der Homoöpathie ist aber, dass die energetische Information des Ausgangsstoffes trotzdem noch enthalten ist und wirkt.
Das sagt die Forschung
Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass homöopathische Mittel allein nicht gegen Beschwerden wirken, schreibt Prof. Jürgen Windeler, bis März 2023 Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, in einem Beitrag für das Helmholtz Zentrum. Bereits 1997 habe eine Metastudie keine hinreichenden Hinweise erbracht, „dass Homöopathie bei irgendeinem körperlichen Beschwerdebild wirksam“ sei. Eine Doppelblindstudie aus dem Jahr 2014 habe das bestätigt. Für Windeler steht fest: Wissenschaftlich sei das Thema abgearbeitet. „Ein Wirkstoff, der nicht mehr da ist, kann nicht mehr wirken.“
Windeler verweist zugleich aber auf ein Paradoxon: „Es scheint, als habe die Homöopathie den Placebo-Effekt perfektioniert. Es gibt viele Gründe, krank zu werden, es gibt aber auch viele Gründe, gesund zu werden. Das muss nicht immer mit dem zu tun haben, was man vom Arzt bekommt.“ Homöopathie sei mehr als nur Globuli. Das individuelle Kümmern mit Gesprächen schaffe womöglich die Voraussetzung, um im Patienten einen Placebo-Effekt in Gang zu setzen – wenn dieser an Homöopathie glaube. Windeler spricht vom „Kontext-Effekt“. Viele kleine Bausteine könnten den Heilungsprozess beeinflussen – günstig oder auch ungünstig. Aus Patientenperspektive sei es egal, wie einem geholfen werde. Es gelte: Wer heilt, hat recht. Trotzdem warnt der Professor: Bei harmloseren Leiden wie Erkältungen sei es vertretbar, auf den Placebo-Effekt zu setzen. „Bei schweren Erkrankungen wie Krebs ist es hingegen lebensgefährlich, etablierte und gut geprüfte, wirkungsvolle Therapien auszuschlagen und auf Homöopathie zu setzen.“
Wer behandeln darf
Oft werden die Begriffe Heilpraktiker und Homöopath synonym verwendet. Laut dem Verband klassischer Homöopathen Deutschlands ist das aber falsch. „Homöopath ist die umgangssprachliche Bezeichnung für einen Therapeuten, der die Homöopathie praktiziert. Dies kann ein Arzt oder Heilpraktiker sein.“ Homöopathie ist kein Berufsbild, sondern eine Methode. Wer als homöopathischer Arzt tätig sein will, muss die Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ erwerben. Dies ist ein geschützter Zusatz, der erst nach einer einheitlichen Ausbildung und Prüfung verliehen wird. Wer als Heilpraktiker die Homöopathie ausüben möchte, kann über Fortbildungen Zertifikate bei Homöopathie-Verbänden erwerben. Genau geregelt ist die Homöopathie-Ausbildung für Heilpraktiker aber nicht.
Das zahlen die Kassen
Gesetzliche Krankenkassen wie die Barmer, DAK oder Techniker zahlen Homöopathie meist bis zu einem niedrigen dreistelligen Betrag. Die AOK Bayern gibt nach eigenen Angaben jährlich weniger als 10 000 Euro aus. Große Kassen erstatten oft nur homöopathische Behandlungen, die von einem durch die Kassen verifizierten Homöopathen verschrieben wurden. Laut dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte haben zwei Drittel der deutschen Kassen entsprechende Selektivverträge.
Ausgaben
Laut dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie wurden allein im ersten Halbjahr 2022 rund 245 000 Homöopathika von gesetzlichen Kassen verordnet. Insgesamt betrugen die GKV-Ausgaben für homöopathische Arzneimittel im vergangenen Jahr 7,2 Millionen Euro – das sind 0,01 Prozent der gesamten GKV-Arzneimittelausgaben in Höhe von 51,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Insgesamt gaben die gesetzlichen Krankenkassen 2022 288,8 Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung aus.
Anthroposophie
Auch anthroposophische Arzneien sollen aus dem GKV-Katalog verschwinden. Diese sollen die Selbstheilungskräfte des Organismus anregen und werden häufig begleitend zur Schulmedizin verordnet. Anthroposophische Medizin sieht sich nicht als Alternativ-, sondern als Komplementärmedizin.
Stimmen zum Plan
Es sei eine politische Entscheidung gewesen, „Sondervorschriften mit geringeren Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit bei den besonderen Therapierichtungen, zu denen die Homöopathie und die Anthroposophie zählen, im Sozialgesetzbuch V einzuführen“, sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. „Und es wäre jetzt erneut eine politische Entscheidung, diese wieder zu streichen.“
Dr. Michaela Geiger, Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, erklärte: „Homöopathie gehört als Kassenleistung weiterhin erstattet, damit alle Patienten unabhängig ihres Einkommens sie in Anspruch nehmen können.“ Der Vorstoß sei medizinisch nicht sinnvoll, da vor allem in der hausärztlichen Praxis eine Therapievielfalt wichtig sei.
Martin Mittag, CSU-Mitglied im Arbeitskreis Gesundheit im Landtag, sagte: „Es gibt ganz andere Baustellen in unserem Land und in unserem Gesundheitssystem, die man zuerst angehen müsste, ehe man die Bevölkerung unnötig unruhig macht und Patienten die Möglichkeit auf ihre Behandlung erschwert. Die Neuaufstellung der Krankenkassen wäre viel eher eine Möglichkeit, die Zuschüsse des Bundes in Milliardenhöhe zu verkleinern.“ wha/tpe