Bayern, das Land der Honigbienen

von Redaktion

Direkt gegenüber dem Heizkraftwerk liegen die Bienenstöcke auf dem Areal der Münchner Großmarkthalle.

Ein Stück Wabe mit frischem gelbem Honig darin.

Bienenverrückt: Carolin Schuback und Andrea Reiter (re.).

Imkerin Carolin Schuback zieht eine Wabe aus dem Stock. Die Bienen arbeiten unbeeindruckt weiter. © Fotos: SIGI JANTZ

München – Die Schranken gehen auf und zu, beinahe im Sekundentakt fahren große Lastwagen in das Gelände der Münchner Großmarkthalle ein und liefern ihre Ware ab. Gabelstapler bringen die Kisten in die Halle, Kunden bringen die Kisten in ihre Fahrzeuge. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen.

Ähnlich rege geht es auf der Schotterwiese nebenan an den Bienenstöcken von Carolin Schuback und Andrea Reiter zu. „Es ist ein wunderbarer Platz“, sagt Hobby-Imkerin Reiter, während sie den Verkehr am Flugloch der Holzkisten beobachtet, aus dem die Bienen ständig ein- und ausfliegen. „Wir haben auch noch an anderen Stellen in München Bienen stehen, aber hier ist es einfach besonders schön.“

Das Areal gehört zur Großmarkthalle, doch weil hier seltene Mauereidechsen leben, hat die Stadt 2014 hier und direkt gegenüber dem Heizkraftwerk Süd ein Habitat für Reptilien eingerichtet. Zwischen Linden, blühenden Wildblumen und Kräutern ist dieses Stück Natur mitten in Sendling ein Paradies für Insekten aller Art, auch für Bienen. „Hier blüht es das ganze Jahr, das heißt, unsere Bienen finden immer genügend Nahrung“, schwärmt die Hobby-Imkerin.

■ Zu wenig Paten

Andrea Reiter und Carolin Schuback, beide 42 und in den Bereichen Fördermittel und Qualitätsmanagement tätig, haben vor fünf Jahren gemeinsam beim Imkerverein München und Umgebung begonnen. Bei Reiter war es ein imkernder Onkel, der ihr die Bienen näherbrachte, bei Schuback weckte ein Fördermittelantrag zum Thema Bienenschutz das Interesse. Der Verein stellte den Freundinnen für zwei Jahre einen Paten zur Seite, der sie bei der Pflege und Hege von Bienenvölkern beriet. „Es gibt ja immer noch Menschen, die glauben, sie stellen sich einfach einen Bienenstock in den Garten und der Rest regelt sich von alleine“, sagt Reiter. „Und die sich dann wundern, wenn ihre Bienen nicht überleben“, fügt Schuback an. Das Imkern sei ein Handwerk, das gelernt sein will – am besten in einem Verein.

An Vereinen herrscht in Bayern kein Mangel. Der Freistaat ist so etwas wie der Bienenkorb der Republik. Nirgendwo in Deutschland gibt es mehr Vereine, mehr Imker und Bienenvölker. Allein der Landesverband bayerischer Imker listet rund 650 Ortsvereine auf – und registriert seit Jahren steigende Mitgliederzahlen. 25 000 waren es im Jahr 2014, jetzt sind es dort knapp 34 000 Freizeit-Imker. Die Landesanstalt für Wein- und Gartenbau hat insgesamt 42 000 Imker in Bayern gezählt – mit rund 265 000 Bienenvölkern, auch hier sind die Zahlen wieder gestiegen. Jedes vierte Bienenvolk in Deutschland lebt im Freistaat.

Auch in den Großstädten ist das Imkern keine Randerscheinung mehr. Bienenstöcke stehen auf Dächern und Balkonen, in Vor- und Schrebergärten und ein Ende der Imker-Lust ist nicht in Sicht. Im Verein von Reiter und Schuback gibt es mittlerweile eine Warteliste von Interessenten, die das Imkern gerne lernen würde. „Da kommen Familien genauso wie Freunde oder junge Paare“, sagt Reiter. Die begrenzte Anzahl Paten mache es unmöglich, alle Willigen aufzunehmen. „Wir müssen da leider aufs nächste Jahr vertrösten.“

■ Hoffnung für Wildbienen

Für die Honigbiene in Deutschland und Bayern sind das durchaus positive Nachrichten. Anders sieht es bei ihren wilden Verwandten aus. Von den 580 Wildbienen-Arten in Deutschland finden sich 521 Arten in Bayern. Davon sind mehr als die Hälfte als gefährdet eingestuft und weitere 41 Arten sind auf der Vorwarnliste. 48 Arten sind bereits ausgestorben. „Die Situation bei den Wildbienen ist dramatisch“, konstatiert Julie Weissmann, Biodiversitätsberaterin bei der Kreisgruppe München des Bund Naturschutz. Es bedürfe hier noch größerer Anstrengungen seitens Land, Städten und Kommunen, um nicht noch mehr Arten zu verlieren. Was ihr Hoffnung macht: „In letzter Zeit stelle ich ein größeres Interesse an Wildbienen fest.“ Bayernweit gibt es mittlerweile ganz unterschiedliche Initiativen, mit denen versucht wird, Wildbienen zu schützen. (siehe Artikel unten).

Auf dem Eidechsen-Areal der Großmarkthalle machen sich Andrea Reiter und Carolin Schuback daran, die Beuten zu kontrollieren. Beuten nennt man in der Fachsprache die Behausungen, in denen die Bienen leben, arbeiten und Honig produzieren. Vorsichtig und Rähmchen für Rähmchen begutachten die beiden ihre Bienenvölker. Sie machen das regelmäßig jede Woche, aber zurzeit ist es besonders wichtig.

Es ist Frühsommer und damit Zeit der Vermehrung – und Wanderzeit. Ist es einem Bienenvolk im Stock zu eng, teil es sich. Ein Teil des Volks verlässt, angeführt von der Königin, den Stock und sucht nach einer neuen Bleibe. Die Bienen, die zurückbleiben, ziehen eine neue Königin groß. Es ist ein natürlicher Prozess, den Imker aber zumindest manchmal zu verhindern suchen. „Nicht immer gelingt es uns, den Schwarmtrieb zu unterbinden und ein geschwärmtes Volk wieder einzufangen“, erklärt Reiter. „Dann haben wir die Hälfte des Bienenvolks verloren. Und die andere Hälfte produziert, weil jetzt dezimiert, weniger Honig.“ Zudem hat der Bienenschwarm in der freien Natur kaum eine Überlebenschance. Selten finden sich passende Höhlen mit entsprechendem Nahrungsangebot, dazu kommen Krankheiten wie die Varroamilbe oder die Amerikanische Faulbrut, die gerade im Münchner Stadtteil Schwanthalerhöhe ausgebrochen ist, und die die Honigbienen bedrohen.

■ Keine Königin zu viel

Um die Bienen vom Schwärmen abzuhalten, sei es am einfachsten, sagt Reiter, wenn man gar keine Raumnot aufkommen lässt und den Bienen bei Bedarf einen weiteren Raum für Brutpflege und Honiglagerung zur Verfügung stellt. Außerdem gilt es, mögliche Schwarm- bzw. Weiselzellen zu finden und aus dem Stock zu entfernen. Weiselzellen sind die Zellen, in denen Königinnen heranwachsen. Bienenvölker, die schwärmen wollen, legen diese Zellen an, um sicherzustellen, dass das zurückbleibende Volk eine neue Königin bekommt und sich somit weiter vermehren kann.

Andrea Reiter und Carolin Schuback haben viel zu erzählen über die Welt der Bienen. „Man könnte Bücher darüber schreiben“, sagt Schuback und lacht. „Es ist aufwendig und es ist viel Arbeit, aber es macht auch unglaublich viel Spaß, in der Natur und mit den Tieren zu arbeiten“, sagt Reiter. „Und es ist immer spannend, weil jedes Mal, wenn wir zu den Bienen gehen, lernen wir etwas dazu.“ Ihre Bienen, da sind sich die beiden sicher, geben sie nicht mehr her.

Artikel 2 von 4