Eine Sandbiene fliegt ein Sonnenröschen an. © Jens Hartmann
Martin Lell zeigt ein Wildbienen-Hotel. © Jens Hartmann
München – Martin Lell sitzt auf einer der Natursteinmauern im Wildbienen-Garten des Ökologischen Bildungszentrums in München und ist umgeben von einem Blütenmeer. „Sonnenröschen, Storchschnabel, Küchenschellen“, zählt er auf und deutet dann etwas weiter nach hinten. „Das da sind Heilziest und Wolfsmilch. Und hier sieht man schon den Hufeisenklee.“ In der Blüten-Oase tummeln sich allerlei Insekten und auch Wildbienen. Der 54-Jährige und andere Ehrenamtliche haben sie in vielen hundert Arbeitsstunden angelegt. „Es war uns wichtig, in der Stadt für die gefährdeten Wildbienen ein Refugium zu schaffen“, sagt der Physiker, der das Areal nach wie vor mit betreut.
In dem großen Garten finden sich allerlei Nistmöglichkeiten für Wildbienen, deren meiste Arten, anders als die Honigbienen, nicht im Schwarm, sondern solitär leben. „Viele Wildbienen sind Spezialisten, sie sind bei der Nahrungssuche auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen“, sagt Lell. Die Natterkopf-Mauerbiene etwa ernährt sich einzig vom Nektar und den Pollen des Gemeinen Natterkopfs. Ihre Eier legen Wildbienen in Mauerfugen, hohle Pflanzenstängel, Totholz oder sandige Erde, weshalb sich im Garten auch ein Sandarium befindet und ein Nisthilfe-Baum mit Totholz.
Wer Biene sagt, denkt meist an die Honigbiene – obwohl sie in der Welt der Bienen eine Minderheit ist. Weltweit gibt es acht bis zehn Honigbienen-Arten. Die Zahl der Wildbienen-Arten wird auf 20 000 geschätzt. Für die Bestäubung von Pflanzen sind Wildbienen mindestens genauso wichtig, teilweise effektiver als ihre domestizierten Artgenossen. So besuchen Hummeln, die zu den Wildbienen gehören, auf ihren Sammelflügen drei bis fünf Mal mehr Blüten als Honigbienen. „Außerdem“, sagt Julie Weissmann, „gehören Hummeln zu den wenigen Bienenarten, die Tomaten und Auberginen mittels Vibrationsbestäubung besonders effizient bestäuben können.“ Weissmann ist Biodiversitätsberaterin beim Bund Naturschutz.
Der Garten im Bildungszentrum an der Englschalkinger Straße ist nur ein Projekt, mit denen Naturschützer versuchen, den gefährdeten Wildbienen-Arten Nahrungs- und Lebensraum zu schaffen. Da wurden Wildbienen-Wiesen angelegt, wie in Ramsau im Berchtesgadener Land, Sandflächen gebaut, wie in Seefeld oder, wie in Freising, die Dächer von Bus-Wartehäuschen begrünt, um Wildbienen und anderen Insekten einen Lande- und Ruheplatz zu bieten.
In München kümmert sich der Bund Naturschutz im Prinz-Eugen-Park in Bogenhausen um eine Lehmabbruchkante, die im Zuge der Arbeiten eines Neubaugebiets entstanden ist. In diesem Abschnitt hat sich eine Reihe bodennistender Wildbienen angesiedelt. „Die Abbruchkante mag optisch nicht schön aussehen, ist aber ökologisch sehr wertvoll“, sagt Weissmann. Sie ist froh, dass die Kante nun bestehen bleibt und zudem die Stadt München in der Nähe Blühwiesen anlegt.
Das passende Nahrungsangebot ist wichtig. „Honigbienen auf Nahrungssuche können bis zu drei Kilometer fliegen. Bei Wildbienen beträgt der Radius bei manchen Arten nur einige hundert Meter“, erklärt Lell. Er arbeitet jede Woche mehrere Stunden im Bienengarten. „Hier gibt es immer etwas zu tun.“ Vor Kurzem hat er die Schneckenhaus-Biene entdeckt, die deshalb so heißt, weil sie in leeren Schneckenhäusern ihre Eier ablegen. „Ich habe mit dieser Art bei uns gar nicht gerechnet“, sagt Lell. „Aber umso mehr habe ich mich dann gefreut.“ BEATRICE OSSBERGER