Rosenheim – Auf einem Beistelltisch im Wohnzimmer steht eine Weihnachtslandschaft mit Krippe und Pyramide. Die Vitrinen sind voller Schnitzereien. Neben kleinen Figuren gibt es auch ungarische und eine bayerische Pferdekutsche. Auch das Modell einer Werkstatt gibt es, in der eine Krippe mit Baby steht. Das Kind ist Ludwig Szabo. Er hat all diese Dinge geschnitzt – die Werkstatt bezeichnet er als sein Kinderzimmer, denn in ihr ist er groß geworden.
„Ich habe unter der Werkbank in den Sägespänen gespielt“, erzählt Szabo. So war er schon früh in Kontakt mit Holz. Ursprünglich kommt der heute 81-Jährige aus Ungarn. Sein Vater war Wagner und hat damals Kutschen gebaut. Kutschen, die Szabo später nachgeschnitzt hat und die heute in einer Vitrine in seinem Wohnzimmer stehen.
Heute wird nur noch
ausgebessert
Wie sein Vater ging auch Szabo beruflich ins Handwerk. Er legte eine Maurer-Lehre ab und begann ein Architekturstudium. Danach zog es ihn in die Ferne, genauer gesagt nach Chemnitz, in die damalige DDR. Dort lernte er seine Frau kennen. „Sie war so hübsch, da konnte ich nicht widerstehen und bin geblieben“, erzählt Szabo.
Mittlerweile lebt seine Frau im Pflegeheim. Das hat für Ludwig Szabo viel verändert. Seitdem schnitzt er nicht mehr. „Dadurch habe ich keine Lust darauf“, sagt er. Jetzt bessert er nur noch Fehler aus. Früher habe er immer nebenbei und sonntags geschnitzt, in seiner kleinen Kammer neben der Küche. Dabei sei die Zeit verflogen. Seine Frau saß im Wohnzimmer und hat ferngesehen. „Ich durfte nicht in die Küche, denn dann gab’s Ärger“, erinnert sich Szabo. Seine Frau hätte sich über den Dreck, Staub und Lärm beschwert, die beim Drechseln entstehen.
Um die erste Form bei seinen Schnitzereien zu erhalten, hat Szabo eine Drechselmaschine, die er mit der Bohrmaschine betreibt. Für den Rest benutzt er verschiedenste Schnitzmesser. „Das dünne ist für das Schnitzen von Haaren“, erklärt Szabo. Seine Schnitzmesser hatte er sich in Ungarn gekauft. Doch angefangen zu schnitzen hat er in der DDR mit alten Rasiermessern. Er schliff sie richtig und nutzte sie als Schnitzwerkzeug.
Mit seiner Leidenschaft fing er in Chemnitz an. Im Erzgebirge gehören die Weihnachtspyramiden zum Brauchtum und dort hat Szabo erstmals eine solche Pyramide gesehen. „Dann hatte ich mir vorgenommen, ich schnitze so lange, bis so etwas herauskommt“, erzählt er. Das gelang ihm und so konnte er nebenbei beim Kunstgewerbe arbeiten. Seine Pyramide brachte ihm dadurch Geld ein. Ein Exemplar verkaufte er für 430 Ostmark.
Damals schnitzte er zuerst kleinere Weihnachtspyramiden. „Dann hat es mir Spaß gemacht und ich habe sie immer größer gebaut“, sagt er. Seine letzte Pyramide ist mit elektrischen Kerzen ungefähr 1,65 Meter groß und zwischen zehn und 20 Kilogramm schwer. An ihr hat er zweieinhalb Jahre immer wieder gearbeitet. „Da steckt meine ganze Erfahrung und meine ganze Seele drin“, sagt Szabo.
Die Weihnachtspyramide besteht aus vier Stockwerken. Ganz unten sind die Tiere wie ein Stier oder Schaf. Weiter oben folgen die Heiligen Drei Könige. In der dritten Etage ist die Heilige Familie mit Maria und Josef. „Ganz oben kommen die Engelchen, denn die können fliegen“, sagt Szabo. Auf einigen Vorsprüngen an den verschiedenen Stockwerken findet man die 13 Apostel. Szabo hat alles selbst geschnitzt und bemalt. Eine Figur herzustellen, hat zwischen acht und zehn Stunden gedauert.
Einen ganzen Tag hingegen haben die kleinen Türmchen in Anspruch genommen, die am Dach der Pyramide angebracht sind. Viel Aufwand, aber für Szabo ist das „überhaupt kein Problem gewesen“, wie er selbst sagt. „Ich habe mir eine Vorlage gemacht, dann musste ich das nur auf das Holz legen, aufzeichnen und mit der Laubsäge ausschneiden“, erklärt er. Die Feinheiten machte er dann mit einem Messer. Aber nicht nur Holz und Farbe stecken in der Weihnachtspyramide, sondern auch ein Motor.
Er treibt die Pyramide an, denn die Kerzen sind elektrisch. Genauso wie das Licht in der Krippe, an der Szabo auch zweieinhalb Jahre gebaut hat. „Das ist eine Ruinenkrippe, das war im 19. Jahrhundert Mode“, erklärt er. Sie sieht aus, als wäre sie aus Stein, doch es ist Pappe. „Das ist ganz einfach: Ausschneiden, verputzen, Fugen ziehen und bemalen“, sagt der 81-Jährige.
Lindenholz
riecht so gut
Solche Fertigkeiten kann Szabo auch durch seinen früheren Beruf. In der damaligen DDR arbeitete er auf dem Bau, und auch als er 1989 nach Rosenheim kam, stellte ihn eine Baufirma an. Dabei baute er unter anderem auch Fenster ein. Doch dem Holz blieb er mit seinem Schnitzen immer treu.
Für die Figuren der Krippe und Pyramide hat er Lindenholz verwendet. „Das ist das Schönste und riecht so gut. Das mag ich gerne“, sagt Szabo. Er selbst hat keine Lieblingsfigur. „Meiner Frau hat der Mann mit dem Schaf auf der Schulter am besten gefallen“, erzählt er.