Zum Bericht „Christliche Grenz-Erfahrung“ (überregionaler Teil):
Wenn jemand wie Frau Möllers am Puls der Zeit sein will, kann es passieren, dass eine traditionelle Formel, aus ferner Reminiszenz herangeweht, neu interpretiert wird. Die Sieben Worte Jesu werden flugs an den deutschen Wörtern abgezählt. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ sind tatsächlich sieben deutsche Wörter, im Lateinischen sind es sechs, oder vielmehr acht, weil Jesus Psalm 22 mit doppelter Anrufung beginnt. Wie kann eine Journalistin, zuständig für Kommentare zu Vorgängen in der katholischen Kirche, nicht wissen, dass die Sieben Worte Jesu wörtliche Einzelaussagen aus den vier Evangelien sind?
Die Möllers’sche Fehlleistung ist symptomatisch für den heutigen religiösen und kirchlichen Bildungsnotstand. Er scheint weniger verschuldet von den Gläubigen selbst, als vielmehr von den bischöflichen Lehramtsträgern, die die kirchliche Lehre widerstandslos und wissenschaftsgläubig den Lehrmeinungen universitärer Theologie überlassen haben. Aus dem Blick geraten ist die Kirche als Leib Christi, der organisch von seinem Ursprung her gewachsen ist und seine Glaubensschätze auch unserer Zeit bereitstellt. So wichtig die Formung eines modernen Glaubens sein mag, unabdingbar ist die Sorge jedes Einzelnen für sein Seelenheil: Heilige Schrift, Gelehrsamkeit und Frömmigkeit der Jahrhunderte und das Leben zahlloser Heiligen bieten vielfältige Möglichkeiten, die Wahrheit des Evangeliums und den Ruf zur Vollkommenheit individuell und gemeinschaftlich je neu zu erarbeiten und zu verwirklichen.
Armin Rieble
Stephanskirchen