Bewertungsportale im Internet müssen in die von ihnen angegebene Durchschnittsnote nicht alle abgegebenen Bewertungen einbeziehen. Sie können als ungeeignet erachtete Bewertungen außen vor lassen, etwa wegen ihres Alters oder weil sie möglicherweise gefälscht sind. Das entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az: VI ZR 496/18). Damit können Nutzer der Portale mit einer etwas höheren Aussagekraft von Durchschnittsnoten rechnen. Grundsätzlich sollten Verbraucher Online-Bewertungen aber nicht blind vertrauen.
Wie aussagekräftig ist die Zahl der Sterne bei Produkten?
Geht so. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Technischen Universität (TU) Dortmund aus dem Jahr 2018. Demnach sind durchschnittliche Kundenbewertungen beispielsweise auf Amazon nicht notwendigerweise ein gutes Maß für die objektive Qualität eines Produktes.
Wie haben die Forscher das herausgefunden?
Die Marketingfachleute hatten auf Amazon Online-Bewertungen hunderter Produkte mit Testergebnissen der Stiftung Warentest verglichen. Insgesamt wurden 224 Produktkategorien untersucht – darunter Fernseher, Smartphones und Staubsauger. Fazit der Studie: „Nur in 69 von den 224 getesteten Kategorien war der Testsieger bei Stiftung Warentest auch das Produkt mit der besten durchschnittlichen Bewertung bei Amazon.“ Wenn sich Kunden für ein Produkt mit einer hohen durchschnittlichen Bewertung entscheiden, kaufen sie nicht unbedingt ein gutes Produkt, warnen die Studienautoren.
Ergeben Online-Bewertungen überhaupt Sinn?
„Man kann Bewertungen als
grobe Orientierung nutzen, um sich vor dem Kauf einen Überblick über bestimmte Produkte zu verschaffen“, sagt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Sie warnt aber vor gefälschten Bewertungen. „Eine hundertprozentige Sicherheit für Verbraucher gibt es nicht.“ Echte Bewertungen ließen sich von Fälschungen nur schwer unterscheiden. Eine gesunde Skepsis sei daher angebracht.
Gibt es Möglichkeiten, gefälschte Bewertungen zu erkennen?
Das ist kaum möglich, zumal professionelle Agenturen inzwischen versuchen, Fake-Bewertungen auf Online-Seiten zu platzieren. Nur gelegentlich hinterlassen die Fälscher Spuren: „Wenn ein Nutzer Bewertungen zu zehn unterschiedlichen Kopfhörern geschrieben hat, ist es unwahrscheinlich, dass er tatsächlich alle diese Kopfhörer auch gekauft hat“, sagt Halm. „Auffällig ist auch, wenn ein Nutzer am ersten Tag der Woche einen Friseur in München, am zweiten Tag einen Bäcker in Hamburg und am dritten Tag einen Arzt in Berlin bewertet“, so die Expertin.
Wie oft finden sich Fälschungen auf speziellen Bewertungsportalen?
Genaue Zahlen gibt es nicht. Einige Portale versprechen aber, mit ausgeklügelten Algorithmen die Fälschungen auszusortieren. „Wie gut diese Algorithmen funktionieren, können Außenstehende aber nur schwer beurteilen“, sagt Verbraucherschützerin Halm. Sie ist sich dennoch sicher, dass es unter den Bewertungsportalen auch Anbieter gibt, die beim Aufspüren von Fälschungen sehr gewissenhaft vorgehen. „Wenn Kunden dem Portal auffällige Bewertungen melden können und es gleichzeitig einen Kundenservice gibt, können Nutzer meist davon ausgehen, dass es sich um ein seriöses Bewertungsportal handelt“, sagt Halm.
Gibt es neben den Online-Bewertungen andere Möglichkeiten, sich vor einem Kauf im Internet zu informieren?
„Wir empfehlen, auf professionelle und unabhängige Tester zu setzen“, rät die Verbraucherzentrale Bayern. „Ein Beispiel ist die Stiftung Warentest, die mit Steuermitteln gefördert wird und nach wissenschaftlichen Methoden arbeitet.“ Dies mache die Stiftung Warentest unabhängig von Einflüssen der Hersteller und Händler. „Denn wie gut ein Produkt ist, zeigt sich häufig erst beim Vergleich mit Alternativen.“