Dachproduktion bei Webasto: Jedes zweite Autodach weltweit soll von der Firma kommen. Künftig will man sich wieder stärker auf dieses Kerngeschäft fokussieren. © Webasto
Stockdorf – Nach langen Verhandlungen ist das Überleben von Webasto gesichert: Der in Finanzproblemen steckende Zulieferer für die Autobranche konnte 1,1 Milliarden Euro an Krediten bei Konsortialbanken sowie 100 Millionen Euro bei Schuldscheinen bis Ende 2028 verlängern. Außerdem erhält das Unternehmen 200 Millionen Euro an frischem Kapital. Dafür mussten die Eigentümerfamilien über die Hälfte ihrer Anteile als Sicherheit bei einem Treuhänder hinterlegen.
„Heute ist ein guter Tag für Webasto“, sagte Konzernchef Jörg Buchheim im Firmensitz in Stockdorf bei München. Angesichts der komplexen Schuldenstruktur mit dutzenden Gläubigern habe man „hart aber ebenso vertrauensvoll“ verhandeln müssen, ergänzte Johann Stohner vom Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal, der von den Gläubigern als Sanierer eingesetzt wurde. Auch die Vielzahl der Geschäftspartner – jedes zweite weltweit in einem Auto verbaute Dach kommt laut Firmenangaben von Webasto – habe die Verhandlungen kompliziert gemacht. Am Ende hätten aber alle Gläubiger dem Sanierungsplan zugestimmt. Auch die Autohersteller seien Webasto entgegengekommen. Über höhere Stückpreise und einen Inflationsausgleich beteiligen sie sich bis 2029 mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag an der Rettung.
Webasto war zum Jahreswechsel durch mehrere Probleme in Bedrängnis geraten. Der auf Autodächer und Standheizungen spezialisierte Zulieferer investierte seit 2016 Milliarden, um sich als Lieferant für Batteriemodule und Ladelösungen zu positionieren. Dabei ging man in Stockdorf davon aus, den Konzernumsatz mittelfristig bis auf acht Milliarden Euro verdoppeln zu können. Doch der Hochlauf der E-Mobilität erfolgte schleppender als erhofft, zudem verbrannten Qualitätsprobleme bei Dächern für den Ford Bronco in den USA hunderte Millionen Euro. Gleichzeitig belasteten nach der Corona-Pandemie Chipmangel, Lieferengpässe, Inflation und die Konjunkturschwäche den Automarkt. So geriet Webasto tief in die Krise.
Die gesicherte Finanzierung bis 2029 ermögliche es nun, Webasto fit für die Zukunft zu machen, sagte Firmenchef Buchheim. Dabei plane man nicht mehr mit acht, sondern mittelfristig nur noch mit vier bis 4,5 Milliarden Euro Umsatz. Deshalb wird ein Teil der weltweit über 15 000 Arbeitsplätze abgebaut. Das soll 150 Millionen Euro pro Jahr einsparen und maßgeblich dazu beitragen, dass das Unternehmen spätestens 2027 wieder Gewinne schreibt. Bereits bekannt ist, dass 1000 der 3700 Jobs in Deutschland wegfallen, viele davon im Firmensitz in Stockdorf sowie an anderen bayerischen Standorten wie Gilching, Utting oder Hengersberg. Weltweit sind weitere Stellenstreichungen in ähnlichem Umfang geplant, Details sollen folgen.
Zudem will Webasto sich wieder stärker auf das Kerngeschäft mit Dächern fokussieren. Verkaufspläne für einzelne Geschäftszweige gebe es derzeit nicht. Das Batteriegeschäft hält man weiter für einen Zukunftsmarkt, in dem man engagiert bleiben will – notfalls mit strategischem Investor. Auch bei Standheizungen gebe es Potenzial. Dennoch betonte Buchheim: „Jeder Bereich muss für sich profitabel sein, alle Optionen sind auf dem Tisch.“
Wie Webasto am Ende der Sanierung aufgestellt ist, ist also offen. Der Firmensitz in Stockdorf steht immerhin nicht infrage, das betonten Buchheim und Stohner. Als Familienunternehmen fühle man sich tief mit der Region verbunden. Um frisches Geld zu bekommen, mussten die Eigentümerfamilien Baier und Mey aber einen Großteil ihrer Anteile bei den Anwälten Christoph Morgen und Jan Markus Plathner hinterlegen, die als Treuhänder fungieren. Verläuft die Sanierung erfolgreich, dürften die bisherigen Besitzer die Anteile zurückbekommen. Eine Garantie gibt es dafür aber nicht.